Vom Fußballplatz ins Familienunternehmen – Ein Erfahrungsbericht: Vom Journalisten zum Unternehmenssprecher
- Christian Schönhals, Underberg Gruppe
- 21. Aug.
- 7 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 22. Aug.

Christian Schönhals ist seit August 2022 als Pressesprecher/ Leitung Unternehmenskommunikation für die Semper idem Underberg AG tätig, ein international ausgerichtetes Spirituosenhaus mit Marken wie Underberg, Asbach oder PITÚ. Der ausgebildete Diplom-Journalist volontierte bei der HNA in Kassel, arbeitete als freier Journalist unter anderem für die Ruhr Nachrichten und wechselte zum 1. Januar 2006 in die Presseabteilung des FC Schalke 04. Weitere Stationen des 50-jährigen PR- und Kommunikationsexperten waren der VfL Bochum 1848 (2009–14), das Deutsche Fußballmuseum (2014–16) und Bayer 04 Leverkusen (2016–22).
Auch wenn mein Vater schon immer ein großer Fan der kleinen Underberg-Fläschchen war, konnte ich mir lange Zeit nicht vorstellen, einmal die Unternehmenskommunikation für dieses traditionsreiche Spirituosen-Haus zu verantworten. Seit Sommer 2022 ist das der Fall, und ich blicke auf 22 Jahre voller abwechslungsreicher Herausforderungen als Journalist, Medienverantwortlicher und Kommunikationsexperte zurück.
Die Aufgabenstellung war gleichermaßen trivial wie vielschichtig: „Was will ich?“ Mit dieser Frage konfrontierten uns die Verantwortlichen des Absolventen-Magazins „Aufmacher“ des Instituts für Journalistik an der damaligen Universität Dortmund im Sommer 2003. Ich hatte mein Diplom in der Tasche, war freier Mitarbeiter für die Ruhr Nachrichten und musste mich mit der Frage auseinandersetzen, wohin mein weiterer beruflicher Weg führen soll. Ich war 28 Jahre alt und schrieb: „Der Beruf des Sportjournalisten ist mein Schicksal. Mit dem Stift oder dem Mikro in der Hand sind wir Teil des großen Spiels. Schon als kleiner Junge wollte ich dabei sein. Doch da meine Pässe nie so genau ankamen wie bei Günter Netzer, tauschte ich irgendwann die Noppenschuhe gegen den Notizblock ein.“
Ich lebte meinen Traum
Um es vorwegzunehmen: Ich lebte meinen Traum. Allerdings nicht als Medienvertreter, dafür als Medienverantwortlicher. Für drei Fußball-Clubs – FC Schalke 04, VfL Bochum 1848 und Bayer 04 Leverkusen – war ich jeweils in der Presseabteilung tätig. Zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen baute ich Redaktionsteams auf, verantwortete den Launch bzw. Relaunch von Online- und Social-Media-Kanälen und war Ansprechpartner für die gesamte Medienarbeit.
Inklusive einer hohen Stress-Resilienz und viel Empathie. Es gibt so viele Stakeholder, die alle bedient werden wollen – sowohl interne wie Vorstand, Trainer, Spieler oder die restlichen Abteilungen im Verein als auch externe wie Medien, Spielerberater, Eltern, Sponsoren oder Partner.
Das hat zur Folge, dass man ständig erreichbar sein muss. Freizeit? Fehlanzeige. Freunde? Kaum noch. Familienleben? Viel zu wenig, und damit ein ständig schlechtes Gewissen gegenüber den Lieblingsmenschen. Ein hoher Preis, den man nicht mehr zahlen will, wenn die Wertschätzung ausbleibt, die man in den eigenen Augen verdient hat, und der Gestaltungsspielraum immer kleiner wird. Das war bei mir im Jahr 2022 der Fall. Nach fast 20 Jahren im professionellen Fußball war es an der Zeit, ein neues Kapitel aufzuschlagen.
Underberg betrat 2022 „journalistisches“ Neuland
Es war eine klassische Stellenanzeige. „Zur Verstärkung unseres Teams am Standort Rheinberg suchen wir zum nächstmöglichen Zeitpunkt einen Manager Unternehmenskommunikation (m/w/d)“ – mit diesen Zeilen betrat die Semper idem Underberg AG im Frühjahr 2022 „journalistisches“ Neuland.
Einen eigenen Pressesprecher bzw. Medienverantwortlichen hatte es bis dato in dem Familienunternehmen, das seit dem Jahr 1846 existiert, nicht gegeben. Externe Agenturen hatten die Kommunikationsarbeit bei Bedarf übernommen. Abgesehen von der Fachkommunikation an die Handels- und Gastro-Medien hat die Underberg Gruppe in den Jahren 2011 bis 2022 insgesamt 37 Pressemitteilungen veröffentlicht – bis auf wenige Ausnahmen waren das Finanzmeldungen, zu denen die Gruppe als Anleihen-Emittent verpflichtet ist.
Mit anderen Worten: eine nahezu leere Tafel für den Pressesprecher. Zwar gab und gibt es auf den einzelnen Marken Brand Manager, die die Produkt-Kommunikation inklusive Social-Media-Accounts steuern, aber einen Ansprechpartner mit journalistischem Hintergrund gab es vor meiner Ankunft nicht. Die grobe Erwartungshaltung an den Einzelkämpfer: die Basics der klassischen Medienarbeit (Verfassen von Pressemitteilungen, Netzwerkaufbau, Autorisierungen etc.), Content-Erstellung und Weiterentwicklung für die Kanäle Intranet, Unternehmenswebseite sowie LinkedIn und strategische Kommunikation – insbesondere für Vorstand, Brand Management und Familie. Viel Arbeit, aber auch ein großer Einflussbereich und ganz wichtig – Vertrauen.

Mehr Öffentlichkeit
Was für mich als professionellen Kommunikator schon immer wichtig gewesen ist: Ich muss mich mit dem Unternehmen identifizieren, muss seine grundsätzlichen Werte teilen und auch etwas mit dem Produkt anfangen können. Das ist selbstredend bei einem werteorientierten Familienunternehmen, das sich verantwortungsvollem Unternehmertum verschrieben hat, nicht so schwer. Zumal ich schon in meinem zweiten Vorstellungsgespräch das Privileg hatte, Christiane Underberg und ihre Tochter Dr. Hubertine Underberg-Ruder kennenzulernen. Zwei faszinierende Frauen und Unternehmerinnen, die keinen Zweifel daran ließen: Die Underberg Gruppe will sich weiterentwickeln, die eigenen Marken modernisieren und mehr in der Öffentlichkeit stattfinden.
Nette Anekdote am Rande: Der Austausch fand hybrid statt. Frau Underberg saß mit dem Pressesprecher in spe zusammen in Rheinberg; Frau Underberg-Ruder war via MS Teams aus der Schweiz zugeschaltet. Weil die Mutter die Tochter einmal zu oft unterbrochen hatte, war ein deutliches „Mutti!“ aus dem Lautsprecher zu vernehmen. Ich dachte mir: Herzlich willkommen in einem echten Familienunternehmen.
Ansprechpartner mit journalistischer Expertise
Doch nicht nur die Nachfahren des Gründers Hubert Underberg sorgten dafür, dass mir der neue Arbeitgeber schnell ans Herz wuchs. Der Vorstand hat klare Vorstellungen von der Unternehmenskommunikation, ist aber souverän genug, meiner Expertise und meinen Einschätzungen zu vertrauen. Ein ideales Umfeld, um motiviert und voller Elan die Herausforderungen anzugehen. Insbesondere weil auch die Kolleginnen und Kollegen mir immer wieder spiegelten, wie froh sie sind, nun einen eigenen Ansprechpartner mit journalistischer Expertise im Haus zu haben.
Selbstverständlich war mir schon immer bewusst, dass es Unterschiede zwischen PR-Beiträgen und journalistischen Texten gibt. Das hatte ich in den 20 Jahren in der Unternehmenskommunikation für verschiedene Vereine und Verbände gelernt, doch in einer Organisation wie einem Spirituosenhaus, in dem traditionsreiche und emotionale Premium-Marken unter einem Dach vereint sind, besitzt das Storytelling noch einmal eine andere Relevanz.
Konsistente Markenführung
Wenn man erfolgreich für ein Unternehmen tätig sein möchte, das so vertrieblich wie ein House of Brands orientiert ist, dann muss man die Marken und ihre Welten erst einmal verstehen. Dafür habe ich mir viel Zeit genommen und verschiedene Gespräche geführt. Ich lernte ein Markensteuerrad zu verstehen, warum Werte für Brands so wichtig sind, wie konkret man seine Zielgruppe kennen sollte, was den Markenkern ausmacht, wie die Marke als Mensch wäre etc. Unter dem Strich geht es darum, eine konsistente Markenführung auf allen Ebenen zu gewährleisten: Produkt, Kommunikation, Design und Verhalten.
Warum es in diesem Zusammenhang ungemein wichtig ist, seiner eigenen Fan-Community zuzuhören, durfte ich bei der Marke Asbach erkennen, die seit 1999 zur Underberg Gruppe gehört. Jahrzehntelang wurden in der Kommunikation für diese Kultmarke der hochwertige Herstellungsprozess und die Krönung der besonderen Momente durch einen Asbach Uralt in den Vordergrund gestellt. Dass die Asbach-Community den Weinbrand vor allem im Mix mit Cola feiert, die Bodenständigkeit des Produktes aus Rüdesheim schätzt und sehr humorvoll mit der Marke umgeht – all das wurde in der Markenkommunikation erst in den vergangenen fünf Jahren zunehmend erlebbar. Im Vorfeld des 120. Geburtstages der Marke, der 2022 anstand, wurde die Brand neu positioniert. Mit Erfolg: 2023 gewann Asbach den renommierten Marketing- Preis Effie in Gold in der Kategorie „Comeback“.
Neue Bühnen: Wintersportorte und OMR Festival
Auch die Marke, aus der unser Unternehmen einst hervorging, wurde in den vergangenen Jahren umfassend modernisiert: Underberg, das Synonym für Kräuter-Bitter, bekam ein frisches Gewand, betrat neue Bühnen und wusste zu überraschen.
Wer hätte gedacht, dass Rheinberger Kräuter zusammen mit der Wintersport-Marke Burton ein gemeinsames Snowboard herausbringt? Oder dass die Traditionsmarke auf dem OMR Festival in Hamburg den Experten für Online-Marketing und die Digital-Branche ein authentisches Angebot macht? Dank der kultigen Fläschchen im unverkennbaren Strohpapier, eines analogen Riesenrads oder eines gelungenen Doppelpasses mit den Fantastischen Vier, die schon seit über 20 Jahren Fans der Kräuter aus 43 Ländern sind, fiel die Kultmarke vom Niederrhein auf dem Festival auf und eroberte so die Herzen der Millennials und der Gen Z, den ins Auge gefassten Zielgruppen.
Zwar bin ich noch immer der Auffassung, dass PR-Profis mehr den „Inhalt“ im Blick haben und Marketeers mehr die „Form“, aber in Rheinberg nähern wir uns zumindest immer mehr an. Sicherlich keine schlechten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Kommunikation – sowohl für ein Unternehmen als auch für ein Produkt oder eine Marke.
Tradition auf neuen Wegen: Underbergs Kooperation mit dem Snowboardhersteller Burton (Bild oben) und der Auftritt beim OMR Festival 2024 (Bilder Mitte und unten) Quelle: Semper idem Underberg AG
„Mehr Transparenz“
Ob wir als Team Underberg auf dem richtigen Weg sind? Die Zahlen lassen sich auf jeden Fall sehen. Die Anzahl der Medienkontakte wurde in den vergangenen drei Jahren vervierfacht, die Zahl der Follower auf LinkedIn gar um 500 Prozent erhöht. Und wie sieht es mit den Pressemitteilungen aus? 32 – jedoch nicht in elf Jahren, sondern in den vergangenen elf Monaten. Das Unternehmen ist in Bewegung, das Ziel „mehr Transparenz“ immer deutlicher sichtbar.
Es gibt durchaus noch viel zu tun – ich denke zum Beispiel an den Einsatz von KI bei den Themen Monitoring, Reputations- und Issue- Management. Abgesehen davon habe ich jedoch wieder den Eindruck, Teil von etwas Größerem zu sein. Zwar nicht mehr „Teil des großen Spiels“, dafür aber Teil eines Familienunternehmens, das sich seiner Tradition bewusst ist, aber nicht zu alt ist und das hoffentlich auch niemals sein wird, um dazuzulernen und neues Terrain zu betreten. Das gilt für die Underberg Gruppe seit 1846. Aber sicherlich auch für mich.
TAKE AWAY
Seitenwechsel: Vom Journalismus zur Unternehmenskommunikation
Kein Privatleben, ständiger Stress, schlechtes Gewissen – die Rahmenbedingungen sind häufig der Grund für den Wechsel in die klassische Unternehmenskommunikation. Auch Christian Schönhals wechselte nach 25 Jahren im Journalismus und der Sport-Kommunikation zum Familienunternehmen Underberg. Seine Learnings aus dem Seitenwechsel:
Stakeholder-Komplexität bleibt
Nur die Namen ändern sich: Medien, Sponsoren, interne Gremien vs. Familiengesellschafter, Brand Management, Märkte.
Bei null anfangen ist eine Chance
37 Pressemitteilungen in 11 Jahren vs. 32 in 11 Monaten – eine „leere Tafel“ ermöglicht umfangreichen Neuaufbau.
Werte, Markenkern und Community kennenlernen
Mehrzahl der Asbach-Fans favorisieren Cola-Mix statt hochwertige Destillations‑ und Reifungstradition – Markenkommunikation muss der Community folgen, nicht umgekehrt.
Inhalt und Form verschmelzen
PR-Profis haben „Inhalt“ im Fokus, Marketeers mehr die „Form“. Erfolgreiche Kommunikation braucht beides – und Aufeinanderzugehen.
Vertrauen schlägt Geschwindigkeit
Erfolgreiche Kommunikation ist kein Sprint, sondern braucht Feingefühl, Kontinuität und Vertrauen – nicht nur, aber besonders in einem Traditionsunternehmen