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Die Eule der Minerva

  • Dr. Achim Kinter
  • 8. Apr.
  • 6 Min. Lesezeit

Aktualisiert: vor 2 Tagen

Von DR. ACHIM KINTER

Dr. Achim Kinter ist gelernter Philosoph und Literaturwissenschaftler. Sein Interesse gilt der Kommunikation, die er aus vielen Perspektiven kommentiert hat: als Journalist, Kommunikationsberater, in Unternehmen, als Wissenschaftler und Publizist. Sein besonderes Augenmerk gilt der Kommunikation in der Krise. Er hat Standardwerke zum Issues Management und zur Krisenkommunikation veröffentlicht und unter anderem das erste Issues Management bei einem deutschen Finanzdienstleister (Deutsche Bank) etabliert. Inzwischen lebt er als freier Publizist in der Normandie. Seine letzte Veröffentlichung, „Die präventive Funktion von Krisen“, erschien 2023 und bietet ein Instrumentarium, Krisen besser erkenn- und handhabbar zu machen.



So unverzichtbar die Sprache ist, so ärgerlich ist an ihr, dass sie immer den Dingen hinterherläuft. Zuerst muss etwas passieren, dann reden wir darüber. Man könnte jetzt einwenden, dass es doch Prognosen gäbe, Pläne, die wir uns und anderen erzählen, dass wir sagen, was wir demnächst machen werden. Oder Erfindungen, auch Wortschöpfungen, die uns glauben machen sollen, dass wir entscheiden, wo und wie es langgeht. Bitte, gehen Sie der Sprache nicht auf den Leim. Das sind alles Ablenkungsmanöver! Die Sprache reicht exakt bis zum Ende dieses Satzes. Und wenn Sie diesen Satz gelesen haben, geht alles von vorne los. Es ist ein wenig, als würde man über das Denken nachdenken. Natürlich können wir das, Reflexion ist eine der wichtigsten menschlichen Fähigkeiten. Aber das kleine Präfix „Re-“ sagt schon alles: Wir fangen erst an zu denken, wenn die Wirklichkeit bereits mittendrin ist. Der große und strenge deutsche Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel hat sich darüber sehr geärgert. Er schrieb: „Die Eule der Minerva beginnt erst mit der einbrechenden Dämmerung ihren Flug.“ Die Eule der Minerva, die genau genommen ein Steinkauz ist, damit meinte er kein Requisit aus einem Hollywoodklassiker, sondern das Wappentier der Göttin der Weisheit, Minerva, griechisch Athene. Die Weisheit, die Philosophie, die Erkenntnis kommt erst, wenn der Tag zu Ende ist, wenn schon alles passiert ist, wenn man nur noch erklären kann, wie und warum etwas geschehen ist, es aber nicht mehr ändern kann. Hegel empfand das als frustrierend. Deswegen findet sich das Zitat auch in seiner „Philosophie des Rechts“. Juristen haben ja auch meistens diesen frustrierten Zug um den Mund, weil sie immer erst ins Spiel kommen, nachdem jemand etwas begangen hat, einen Mord oder einen Bankraub. Sie machen aus dem, was das Leben fabriziert, einen Fall. Wer könnte daran Spaß haben? Die Politik hat sich auf dieses Dilemma mit bewundernswerter Leidenschaft gestürzt. Man könnte gegenwärtig den Eindruck gewinnen, dass die Politik sich so lange tot stellt, bis etwas passiert. Dann springt sie auf und sagt: Das darf nicht noch einmal passieren! Und dafür werde ich Maßnahmen ergreifen. Den vorläufigen Höhepunkt dieser bizarren Kommunikationskultur erlebten wir Ende 2024 anlässlich des Wortes des Jahres: Ampel-Aus. Jemand, genau genommen Olaf Scholz, hatte drei Jahre so lange geschwiegen und beschwichtigt, dass im entscheidenden Augenblick jemand anderes, nämlich Christian Lindner, nicht damit rechnete, dass ein Taktikwechsel möglich sei. Aus dem Schweigen wurde ein Redeschwall, aus der Beschwichtigung ein markanter Angriff. Und so konnte der verblüffte Beobachter sehen, wie die Eule wieder einmal zur Abendzeit ihren kurzfristig lebensfrohen Flug ansetzte, um dann am anderen Morgen erneut desillusioniert und kraftlos auf dem Boden der Tatsachen zu landen und diese mit gewohnter Tristesse zu kommentieren. Auch hier, muss man konstatieren, kam die Sprache zu spät.



Eule und Hahn



Hegel hat die Sprache immerhin in Schutz genommen. Man könne auch der Ansicht sein, dass die Sprache den Dingen ihren Lauf ließe, um dann besser und mit ein wenig Abstand über sie urteilen zu können. Die Sprache, zumal der Philosophie, sei der Garant dafür, dass man nicht einfach halbgare Utopien in die Welt setze, sondern sich erst einmal das, was tatsächlich ist, genau anschaut. Die Erfahrung der Wirklichkeit käme vor dem Kommentar. So gesehen sei die Eule denn doch ein ziemlich kluger Vogel – und zweifellos nicht in Bayern beheimatet (über die Echtheit letzterer Anmerkung streiten sich die Gelehrten). Jedenfalls hat das Hegel-Zitat, das Ernst Bloch für eines „der großen Gleichnisse der Weltliteratur“ hielt, immer wieder zu Diskussionen angeregt. Beschreibt es eine resignative Grundstimmung der Philosophen, die, ähnlich den Juristen, immer zu spät kommen? Oder bereitet dieser Vogel im Dunkeln der Nacht gedanklich vor, was beim anbrechenden Morgen, beim Hahnenschlag in die Tat umgesetzt wird? Muss man Eule und Hahn als Dream-Team verstehen? Im antiken Griechenland, aber auch danach noch bis in unsere Gegenwart, findet sich die Eule auf zahlreichen Gemmen, Münzen und Siegeln. Sie ist ein Symbol für kluges und erfolgreiches Wirtschaften, sie steht für die Einsicht, dass die Philosophie nicht zu den brotlosen Künsten zählen muss, sondern im Gegenteil als Basis für nachhaltigen Reichtum. Wenn man sich etwa die Biographien von Hedge-Fonds-Managern ansieht, finden sich unter ihnen zahllose Mathematiker, Volkswirte, Natur- und Geisteswissenschaftler. Die Grundlagen seriösen Denkens, über alle Disziplinen hinweg, sind offenkundig vereinbar mit äußerster Tatkraft und überdurchschnittlicher Risikobereitschaft. Ja, mehr noch: Beides ist im Fall der Finanzindustrie häufig der Schlüssel zum Erfolg!



Die Ökonomie der Phrase


Der Komödiendichter Aristophanes hat vor fast 3000 Jahren eine andere schöne Redensart geprägt: Eulen nach Athen tragen. Sie wird auch heute noch für überflüssige, oft sinnlose Handlungen benutzt, die man sich sparen könnte. Wäre diese Redensart eine fruchtbare Ergänzung zum Hegel-Zitat? Der Grund, warum man keine Eulen nach Athen tragen sollte, war zu Zeiten von Aristophanes der, dass Athen damals – ein Vergleich wären aktuelle Taubenpopulationen in deutschen Städten – ausreichend versorgt war mit Eulen, die vornehmlich unter Säulendächern nisteten, von denen es im Stadtstaat genügend gab. Also: Bitte nicht noch mehr Eulen! Da, wo etwas schon ausreichend beziehungsweise im Überfluss existiert, ist ein weiterer Zufluss unsinnig. Da die Eule aber auch als Wappentier der Minerva für Klugheit und Weisheit steht, könnte man spekulieren, dass die Redensart auch ein Hinweis auf den damaligen Athener Arbeitsmarkt war, der ein Überangebot an Akademikern aufwies. Der Dichter wollte womöglich eine Warnung aussprechen: Wenn du als Akademiker einen Job suchst, gehe nicht nach Athen, dort ist die Konkurrenz riesengroß. Falls diese Spekulation die Wahrheit trifft oder streift, dürfte die Redensart, wie viele ihrer Artgenossen, erheblichen Schaden angerichtet haben. Denn sie setzt, was leider schon damals eine Selbstverständlichkeit war, auf die Prognosestärke der Sprache. Als würde ein alternder Komödiendichter wie Aristophanes etwas Sinnvolles über die Arbeitsmarktbedingungen und die Entwicklung derselben aussagen! Genau besehen handelt es sich um nichts als eine unlautere Abschreckung. Seine unsterbliche Phrase, die auch begrifflich (Phrasis) hier ihren Anfang nimmt, verkürzt einen umfangreichen Sachverhalt auf ein prägnantes und leicht begreifliches Bild, ähnlich den heutigen Memes. Daraus könnte man durchaus eine Verbindung zu Hegels Gleichnis ableiten.


Verkürzungen haben immer etwas Ökonomisches. Die Ökonomie, ebenso wie die Mathematik, liebt Vereinfachungen und Verkürzungen. Was sie wiederum der Sprache, insbesondere der gesprochenen Sprache, erstaunlich ähnlich erscheinen lässt. Welcher Fremdsprachenadept wäre nicht schon an den ungeheuerlichen Kontraktionen etwa im Englischen oder Französischen verzweifelt! Die meisten von uns nutzen etwa Whatsapp oder einen anderen Messengerdienst. Hier befindet man sich in einer Werkstatt der Sprache, in der getunt, umlackiert und minimalisiert wird. Kürzungen, das Weglassen von Buchstaben, Satzzeichen, vollständigen Wörtern aber auch Lauten begleiten die Kommunikation. Aus „habe“ wird „hab“, Zahlen werden nicht mehr ausgeschrieben, ein Tippen auf die richtige Taste genügt. Wir bilden Wörter aus Zahlen und Buchstaben, wie „m1“ für „meins“ oder „N8“ für „Nacht“. Artikel sind überflüssig, ebenso Possessivpronomen, Demonstrativpronomen, von grammatikalischen Strukturen ganz zu schweigen. Dagegen zu kämpfen, ergibt ungefähr so viel Sinn, wie gegen die tägliche Dämmerung zu kämpfen. Das würde vermutlich sogar Hegel, wenn auch widerwillig, goutieren.


„Der traurigste Aspekt derzeit ist, dass die Wissenschaft schneller Wissen sammelt, als die Gesellschaft Weisheit.“

Isaac Asimov


Die eigentliche und insbesondere produktive Leistung der Phrasen, die nun einmal Formen der Verkürzung darstellen, liegt jedenfalls ganz woanders. Und an diesem Punkt befruchten sich die beiden historischen Zitate auf das Allerbeste. Wenn nämlich tatsächlich unser Denken erst bei Dämmerung auf Touren kommt, stellt sich die Frage, was es den ganzen Tag über macht? Womit wir an der Grenze des Gleichnisses angekommen wären. Die leibhaftige Eule schläft, sie verdaut, sammelt Kraft für den nächtlichen Beutefang. Die metaphorische Eule macht etwas gänzlich anderes: Sie ist hellwach, denn sie setzt sich mit der Wirklichkeit auseinander, je mehr Erfahrungen sie macht, desto effektiver kann bei Dämmerung die Erkenntnis funktionieren. Schließlich, betont Hegel, sind die Erfahrungen mit der Wirklichkeit, die wir machen, der Stoff, aus dem unsere Erkenntnisse entstehen. Je mehr, desto besser. Und Phrasen können bei diesem Prozess eine hilfreiche Rolle spielen. Sie komprimieren Wirklichkeit (das tut Sprache ja generell), was den Nachteil hat, dass manches weggelassen wird, was aber auch den Vorteil hat, dass wir viel mehr aufnehmen können. Phrasen zippen die Wirklichkeit! Den Begriff „Denkökonomie“ hat der österreichische Philosoph Ernst Mach einst verwendet. Genau darum geht es hierbei. Wenn wir schon mit unseren Erkenntnissen bis zur Dämmerung warten müssen, ist es hilfreich, so viel wie möglich „Futter“ für sie zu sammeln. Unser Denkapparat kann dann die gezippten Erfahrungen entpacken und in kluge Erkenntnisse transformieren. Eulen, die wir nach Athen tragen, sollten wir dabei vermeiden, Phrasen, die ökonomisch zusammenfassen, Zeit und Ressourcen sparen, sollten wir nutzen.



Kopfgeburten


Minerva, Athene ist ein Spin-off des Göttervaters Jupiter alias Zeus. Eine Kopfgeburt. Heute, könnte man sagen, hat Zeus seine Big Data in eine Cloud ausgelagert, vermutlich, um sich ungenierter und entspannter seinen Amouren hingeben zu können. Zum Nachteil seiner Tochter, die wegen ihrer einseitigen Natur im Leben nicht wirklich Spaß hat. Schließlich sollten auch junge Göttinnen, wenn die Dämmerung einbricht, nicht nur an Weisheit und Erkenntnis denken. Und die Eule der Minerva sollte uns womöglich auch daran erinnern, dass wir am besten, bevor es dunkel wird, unsere Erfahrungen machen, damit wir im Dunkeln wie eine Eule „sehen“ können. Und dass Tiere als auch Menschen zumeist mit vielen, teils widersprüchlichen Eigenschaften gesegnet sind.



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