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Wo Kommunikation vorhersehbar sein muss und wo nicht

  • Dr. Achim Kinter
  • 29. Apr.
  • 6 Min. Lesezeit

Aktualisiert: vor 2 Tagen

Von DR. ACHIM KINTER


Dr. Achim Kinter ist gelernter Philosoph und Literaturwissenschaftler. Sein Interesse gilt der Kommunikation, die er aus vielen Perspektiven kommentiert hat: als Journalist, Kommunikationsberater, in Unternehmen, als Wissenschaftler und Publizist. Sein besonderes Augenmerk gilt der Kommunikation in der Krise. Er hat Standardwerke zum Issues Management und zur Krisenkommunikation veröffentlicht und u.a. das erste Issues Management bei einem deutschen Finanzdienstleister (Deutsche Bank) etabliert. Inzwischen lebt er als freier Publizist in der Normandie. Seine letzte Veröffentlichung, „Die präventive Funktion von Krisen“, erschien 2023 und bietet ein Instrumentarium, Krisen besser erkenn- und handhabbar zu machen.


Im Trisolaris-Roman des chinesischen Schriftstellers Liu Cixin, der unter anderem durch die Empfehlungen von Barack Obama und Bill Gates international bekannt wurde, geht es um eine Zivilisation, deren Planet, anders als der unsrige, in einer kosmischen Region großer Instabilität beheimatet ist. Dieser Planet ist der Gravitation von drei Sonnen ausgesetzt, wodurch sich regelmäßig Wetterextreme einstellen, die im schlimmsten Fall alles Leben auslöschen. Der unerträgliche Klimawandel hat die Entwicklung der Zivilisation der Trisolarier stark beeinträchtigt. Wo die Menschen der Erde innerhalb weniger Jahrhunderte rasante Fortschritte gemacht haben, wurde dort der technologische Fortschritt immer wieder abgewürgt. Diesen Verhältnissen liegt das sogenannte Dreikörperproblem der Himmelsmechanik zugrunde, das besagt, dass es nicht möglich ist, den Bahnverlauf dreier Körper, die sich gegenseitig anziehen, vorherzusagen. Und da es nicht möglich ist, die gravitativen Auswirkungen vorherzusagen, regiert das Chaos. Es ist ein Beispiel, in dem Vorhersagbarkeit eine wünschenswerte, ja lebenswichtige Eigenschaft ist. Das muss aber nicht immer der Fall sein.

„Das große Karthago führte drei Kriege. Nach dem ersten war es noch mächtig. Nach dem zweiten war es noch bewohnbar. Nach dem dritten war es nicht mehr zu finden.“

Bertolt Brecht


In der Kommunikation übernimmt der Issues Manager die Aufgabe des Auguren, versucht mit diversen Instrumenten wie Befragungen, Analysen, Berechnungen oder Kennzahlenmodellen herauszufinden, ob und wann es zu einer Krise kommen könnte. Das Issues Management ist heute mehr oder weniger selbstverständlich in die Unternehmenskommunikation integriert, allein: die Disziplin ist nach wie vor weit davon entfernt, ein strategisches Schwergewicht zu sein. Nun sollte man doch denken, dass in der Wirtschaft Planbarkeit, Vorhersagbarkeit und Krisenfestigkeit zum Einmaleins des Managements gehörten. Und in vielen Bereichen, sei es nun das Beschaffungs- oder Rechnungswesen, Logistik oder Produktion, trifft das vermutlich auch zumeist zu. In der Kommunikation aber gibt es ein seltsames Ressentiment, eine Allergie die Zukunft betreffend, die es verhindert, die Ressourcen so zu allozieren wie in anderen Disziplinen.



Bet and win and love


Wenn wir kommunizieren, ist Vorhersehbarkeit nicht immer wünschenswert oder gewollt. Damit steht die Kommunikation nicht allein da. Es gibt Lebensbereiche, in denen ist sie sogar strafbar, etwa beim Wettgeschäft. Aber auch in der Liebe gehört die intensive Unvorhersehbarkeit zum Ritus, der nicht zuletzt die Faszination der Liebe ausmacht. Ungezählte junge und ältere Probanden genossen die Qual der Ungewissheit bis zu jener einen Frage, die den Diskurs erfüllt oder zerstört. Seit der Philosoph Thales von Milet eine Sonnenfinsternis für das Jahr 585 v. Chr. voraussagte, sind Prognosen ein fester Bestandteil unserer Kultur. Für den Urvater der Ärzte, Hippokrates, waren Voraussagen zum Krankheitsverlauf wichtig, weil sie das Vertrauen der Patienten stärkten. Das Motiv hat sich durch die Jahrtausende bewährt. Die Reputation der Expertenzunft hängt von ihrer Prognosestärke ab. Die Fehlertoleranz ist längst eingepreist. Waren noch im Mittelalter Weissagung und Prophetie nur stümperhafte Duplikate göttlicher Allwissenheit und also determiniert, huldigt man heute der Vorstellung, demnächst die algorithmische Perfektion zu erreichen, die den Fehler auf eine Stelle weit hinter dem Komma verbannt. Vorhersagen und Vorhersehen waren sich noch nie so nah. Und so streben die Wünsche gegenwärtiger Generationen zwei grundverschiedenen Enden entgegen, denen nur noch ein drittes Element fehlt, um das Chaos perfekt zu machen.



Und es funktioniert doch!


Wenn wir momentan das Lamento über den Niedergang der deutschen Wirtschaft hören, können wir sicher sein, dass es ebenso vorüberzieht wie das Lamento über das Wirken der Ampelregierung, über 16 Jahre fatale Ignoranz der Merkel-Regierungen oder den Untergang der Sozialsysteme durch die rot-grünen Hartz-Gesetze. Politik frisst ihre eigenen Prognosen, permanent und mit großem Genuss. Doch über allem steht das, was vielleicht das Grundmotiv der Soziologie Niklas Luhmanns war, das Erstaunen darüber, dass das System immer noch funktioniert. Das System, das Land, die Gesellschaft. Dass es immer noch geht und dass es immer weitergehen wird. Für Luhmann bedeutet Funktionieren, dass es immer auch anders funktionieren könnte, nicht beliebig anders, aber anders. Alles kann ersetzt werden, eine alte Regierung durch eine neue, eine alte Strategie durch eine neue. Es gibt immer Alternativen. Und Alternativen zu Alternativen. Und es gehört zur Humoristik des Menschseins, dass nicht selten das von Dauer ist, dessen Existenz wir am lautesten verfluchen. Luhmann: „Gerade Bürokratie ist bekanntlich ein System mit sehr geringer Störempfindlichkeit.“


Was sagt das über den Faktor der Vorhersehbarkeit aus? Menschen gefällt zumeist das Vorhersehbare, weil es ein größeres Maß an Sicherheit verspricht. Die Trisolaris-Zivilisationen hätten zweifellos häufiger überlebt, wenn sie die Naturkatastrophen, die sie zerstörten, antizipiert und Gegenmaßnahmen ergriffen hätten. Ihren Lebensgrundlagen hätten die Trisolarier nicht entkommen können, so wie es für uns keine zweite Erde gibt. Wohl aber wären die Schäden zu verringern gewesen. Sicherheit nimmt zu, nicht weil die Welt, in der wir leben, sicherer würde, sondern weil wir lernen, neue Möglichkeiten zu nutzen, um auf die Unsicherheiten der Welt zu reagieren. Es wäre aus dieser Perspektive klüger, die Funktionen im Luhmann‘schen Sinne, also die Alternativen zu erhöhen, anstatt die bestehenden zu verbessern.



Leuchtturmprojekte


Vorhersagen sind noch aus einem anderen Grund mit Vorsicht zu genießen. Nicht selten gehen wir davon aus, dass die Zukunft vergleichbar ist mit einem Leuchtturm, auf den wir zuwandern. Man stelle sich vor, dieser Leuchtturm sei in Bewegung, er ändert sein Aussehen, seine Position, seine Größe. Wieviel schwieriger wäre es vorherzusagen, wann wir ankämen? Rechtzeitig zum Mittagessen? Sind wir bereits an ihm vorbeigelaufen, ohne ihn zu erkennen? Und derjenige, der die Wanderung vorgeschlagen hat, wird zweifellos kritisiert: Hast du nicht gesagt, wir sind rechtzeitig da? Das passt zusammen mit einem weiteren Argument: Die Welt ist schrecklich komplex geworden (als sei sie jemals übersichtlich gewesen!), es fehlen Informationen an allen Ecken und Kanten, es herrscht ein wenig hilfreiches Dickicht an Meinungen, Konflikten und Lügen, das die Orientierung erschwert. Ja, das stimmt! Obwohl man bezweifeln darf, dass das Lebensgefühl historisch völlig neu ist. Für die Kommunikation ergeben sich daraus zwei Herausforderungen. Wir haben uns zu entscheiden, welchen Stellenwert wir der Komplexität beimessen. Ist sie ein Zugewinn an Alternativen oder eine Hürde für unsere Erkenntnis? Und zugleich müssen wir uns fragen, ob diese rotierende Zukunft, diese komplexe Gegenwart alles ist, was wir wahrnehmen, oder ob es Dinge gibt, die unbeeinflusst sind von zukünftigen Entwicklungen oder maßloser Informationsdichte. Noch einmal die Liebe: Wollten wir wirklich wissen, wie eine Geschichte, unsere Geschichte ausgeht? Und sind wir wirklich interessiert an den unzähligen Informationen über eine Person, die Person, für die wir uns interessieren? Ja: Wenn es immer Alternativen gibt, dann gibt es auch niemals den einen richtigen Weg für alle. In diesem Sinne sollten wir uns vom Prinzipiellen verabschieden. Das mag Diktatoren und Populisten ängstigen, aber es bietet uns allen die Sicherheit, dass das Mögliche, die Alternative immer verfügbar bleiben. Keine Prognose, keine Likes & Posts, keine Umfragewerte können daran etwas ändern. Die Kommunikation, die naturgemäß stets die Zukunft in Gestalt einer Fortführung ihrer selbst beinhaltet, kann uns hier Zuversicht geben.


Schließlich sei noch an eine Unterscheidung erinnert, die bereits seit dem 20. Jahrhundert fester Bestandteil der Diskussion ist: die Unterscheidung von Vorhersage und Wahrscheinlichkeit. Das Wissenschaftliche einmal ausgeblendet, geht es um die schlichte Frage, ob wir uns mit weniger zufriedengeben können oder nicht. Während die Vorhersage in Anspruch nimmt, aus den Alternativen die richtige auszuwählen, lässt sich die Wahrscheinlichkeit eine Hintertür offen: Es ist sehr wahrscheinlich, könnte aber auch anders kommen! Sie kann das, weil sie sich weniger für die Zukunft begeistert, sondern eher für etwas, das wir schon fast vergessen hatten, die Vergangenheit. Die ist einerseits konkreter und vertrauter, andererseits auch ein wenig langweilig, denn was kommt, ist ein Abklatsch von dem, was war. Mit anderen Worten: Geschmacksache. Der Philosophie fällt dazu meistens das bekannte Münchhausen-Trilemma ein. Der Lügenbaron erzählte uns die Geschichte, in der er sich selbst an den Haaren aus einem Sumpf zog. Das würden wir, im übertragenen Sinne, auch furchtbar gerne machen, wenn es um die Zukunft geht. Eine Möglichkeit haben, mal eben einen Blick in selbige zu werfen, um gegenwärtig richtig entscheiden zu können. Für Philosophen ist der Fall klar, ein Trilemma, ein nicht lösbarer Widerspruch, wie das Dreikörperproblem. Wir Alltagsmenschen sagen lakonisch: Schön wär’s! Klarkommen müssen Philosophen und Alltagsmenschen mit der enttäuschenden Einsicht, dass unsere Vorhersagen im Hier und Jetzt der Realität enden, aber im unendlichen Raum des Vorstellbaren weitergehen. Psychologisch verständlich ist deswegen die Präferenz der Wahrscheinlichkeit, schließlich müssen wir alle einmal zur Hintertür hinaus. Und am Ende ähnelt unsere Welt dem Dreisonnensystem vielleicht mehr, als es auf den ersten Blick scheint.



Dreisonnenkommunikation


Deutschland erfreut sich seit drei Jahren der Ampel-Koalition, die aus drei Parteien besteht, deren Bahnverlauf auch der klügste Wirtschaftsweise nicht vorherzusehen vermag. Zum Ende der Legislaturperiode scheint sich bei den meisten Beobachtern das Urteil zu verfestigen, dass die größere Breite politischer Potentiale, die kreativen Möglichkeiten unterschiedlicher politischer Denkschulen sich in der Praxis nicht bewährt haben. Das ist sehr bedauerlich, und es mangelt nicht an Erklärungsmustern für dieses Scheitern der Ampel und ihrer Kommunikation, zugleich ändert es nichts an der Anziehungskraft einer Idee, die ein Zusammenwirken dreier Kräfte (oder noch weiterer) favorisiert, welches es ermöglicht, die Transformation von Strukturen zu schaffen, die sich überlebt haben. Wer weiß, ob dieses gescheiterte Experiment nicht irgendwann als Blaupause dient, die notwendigen Veränderungen in Deutschland voranzutreiben. Das wäre doch eine Voraussage wert.



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