So viel Marke steckt im CEO ‒ Und wie viel CEO steckt in der Marke?
- Monika Schaller, SAP
- 4. Apr.
- 7 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 7 Tagen
Monika Schaller ist seit 2023 Kommunikationschefin des Softwarekonzerns SAP mit weltweit rund 110.000 Mitarbeitern. Zuvor arbeitete sie vier Jahre als Global Head of Corporate Communications, Sustainability & Brand für den Post- und Logistikriesen DHL Group und verantwortete dort unter anderem die CEO Kommunikation für Frank Appel, den mit 15 Jahren am längsten amtierenden Dax-CEO. Schaller hat in Wien BWL studiert und als Senior Financial Reporter bei Bloomberg TV gearbeitet, bevor sie 2003 die Pressearbeit im Bereich Corporate & Investment Bank bei der Citigroup in Deutschland, Österreich und Skandinavien übernahm. Danach folgten Stationen bei Goldman Sachs als Leiterin der Unternehmenskommunikation für Deutschland, Schweiz, Österreich und Osteuropa, und 2016 als stellvertretende Pressechefin bei der Deutschen Bank.
Steve Jobs, Bill Gates, Elon Musk. Welcher CEO ist seine eigene Marke? Ich habe für diesen Beitrag in meinem Bekanntenkreis eine kleine – nicht repräsentative – Umfrage gestartet, und das Ergebnis war erschreckend einhellig. Die drei Herren – leider keine Damen – wurden am häufigsten genannt. Alle Genannten waren beziehungsweise sind der „CEO Nummer 1“ und/oder Gründer, dem in der Geschichte jedes Unternehmens eine besondere Rolle zukommt. Ihre Persönlichkeit, die Legende um die Gründung, die Vision, prägen das Unternehmen und damit auch die Corporate Brand maßgeblich. Noch heute ist Hasso Plattner bei SAP sehr präsent, und SAP ohne Hasso Plattner ist undenkbar. Das gilt ebenso für Apple und Steve Jobs sowie Bill Gates und Microsoft. Wie verhält es sich aber mit den Nachfolgerinnen und Nachfolgern? Wie stark zahlt deren Persönlichkeit auf die Corporate Brand ein? Wie sehr können und müssen sie als eigenständige Persönlichkeit positioniert sein? Wie viel Persönliches müssen sie im Zeitalter von Social Media von sich preisgeben? Und was passiert, wenn der oder die CEO das Unternehmen verlässt?
Vorab möchte ich drei Überzeugungen teilen:
Gute CEO-Kommunikation basiert zu einem Großteil auf Strategie und Handwerk.
Wir sind im People Business – eine enge und vertrauensvolle Beziehung zwischen CEO und Communications und ihren Kernzielgruppen ist essenziell, um glaubwürdig und wirksam zu agieren.
Und: Strategische CEO-Kommunikation war nie wichtiger als jetzt.
Folgende Beobachtungen veranlassen mich zu dieser Aussage:
Geopolitische Spannungen, Kurswechsel, neue und wieder aufflammende Kriege: Instabilität ist das „New Normal“. Der Blick in die Zukunft ist unsicherer, Orientierung und Sicherheit werden wichtiger – der CEO rückt in den Fokus.
Die Zahl und die Ansprüche der Stakeholder sind gewachsen. Kapital-, Absatz-, Arbeits- und Meinungsmarkt haben sich in viele Subgruppen aufgespalten – von Kunden und Journalisten bis hin zu Investoren, Politikern, Influencern und Mitarbeitenden. Jede Zielgruppe erwartet eine persönliche, authentische Ansprache – besonders vom CEO.
Wir leben in einem Informations-Hurrikan. Täglich prasseln unzählige Nachrichten auf Unternehmen ein. Je höher die Geschwindigkeit, desto wichtiger wird ein Fixpunkt, auf den sich alle Stakeholder fokussieren können.
Diese natürliche Bezugsperson, das Gesicht des Unternehmens ist der oder die CEO. Medien personalisieren und simplifizieren, das ist an sich nichts Neues, nur der Grad der Vereinfachung hat nach meiner Beobachtung zugenommen. Der CEO wird oftmals direkt mit dem Unternehmen gleichgesetzt, er verkörpert den ansonsten anonymen Konzern. Deshalb ist es unerlässlich, CEOs strategisch zu positionieren. Nur dann sind Kommunikationsabteilungen in der Lage, die Kontrolle über das Narrativ zu wahren und die Reputation des Unternehmens zu stärken Diese natürliche Bezugsperson, das Gesicht des Unternehmens ist der oder die CEO. Medien personalisieren und simplifizieren, das ist an sich nichts Neues, nur der Grad der Vereinfachung hat nach meiner Beobachtung zugenommen. Der CEO wird oftmals direkt mit dem Unternehmen gleichgesetzt, er verkörpert den ansonsten anonymen Konzern. Deshalb ist es unerlässlich, CEOs strategisch zu positionieren. Nur dann sind Kommunikationsabteilungen in der Lage, die Kontrolle über das Narrativ zu wahren und die Reputation des Unternehmens zu stärken und zu schützen.
CEOs agieren als Vorbild
CEOs agieren als Vorbild CEOs vermitteln Expertise und Glaubwürdigkeit, schaff en Vertrauen. Dieses Vertrauen in den CEO herzustellen und zu erhalten, ist eine der Kernaufgaben von Kommunikation. Vertrauen ist – davon bin ich überzeugt – CEOs vermitteln Expertise und Glaubwürdigkeit, schaff en Vertrauen. Dieses Vertrauen in den CEO herzustellen und zu erhalten, ist eine der Kernaufgaben von Kommunikation. Vertrauen ist – davon bin ich überzeugt – die Grundlage jeder menschlichen Beziehung und damit auch jeder (Kauf-)Entscheidung. Der CEO ist Botschafter der Unternehmens werte und des Produktversprechens. Sein Profi l ist damit wettbewerbsentscheidend. Selbst der Kapitalmarkt, der sich in der Regel dogmatisch an Fakten, Modelle und Analysen hält, vertraut oder misstraut Personen – das haben wir 2016 an der Reaktion des Kapitalmarkts zum Chefwechsel bei adidas gesehen. Die Reputation des CEOs beeinflusst die Reputation des Unternehmens und um gekehrt. Positionierung und aktives Reputationsmanagement sind also zentral.
CEO-Kommunikation ist weder Zufallsprodukt noch Raketenwissenschaft. Die Positionierung ist in erster Linie das Ergebnis eines sauberen Strategieprozesses.
Die Unternehmensstrategie bildet – wenig überraschend – die Grundlage für die Kommunikationsstrategie mit ihren Fokusthemen und korrespondierenden Zielen. Die Hausaufgaben in der Positionierungsarbeit heißen: Für welche Themen soll er oder sie stehen? Wie tritt er auf – wo und warum genau dort? Welche Attribute sollen mit dem CEO verknüpft werden? Für SAP und ihren CEO Christian Klein bedeutet das, den einzig wirklich relevanten Techkonzern Europas zur repräsentierten – ein Unternehmen, das die zentralsten Geschäftsdaten der Welt verwaltet und die einzige europäische Alternative für Business-KI auf höchstem Niveau bietet. 87 Prozent der Weltwirtschaft laufen auf SAP-Systemen. Damit ist das Unternehmen nicht nur für die Businesswelt relevant, sondern für jeden Einzelnen. Christian Klein verkörpert genau das: Er hat sich vom Praktikanten bis zum CEO hoch gearbeitet – ein Weg, der für Tatkraft, Entschlossenheit und tiefes Unternehmensverständnis steht. Genau diese Attribute braucht es, um sich in der Techwelt mit den Pendants aus den USA zu messen. Diesen strategischen Rahmen muss man setzen, wenn man erfolgreich Entscheidungen in der CEO-Kommunikation treffen will – zum Beispiel welches Interview stattfinden soll und welches nicht.

No „One size fi ts all“
Den einen Ansatz für eine perfekte CEO-Positionierung gibt es nicht, aber sehr wohl eine Art Kompass, welche Facetten der Führungspersönlichkeit sichtbar werden sollten. Was heißt das insbesondere für die Positionierung auf Social Media? Persönlich und nahbar, ja, privat, nein. Also zum Beispiel das Foto vom CEO hinter den Kulissen, bevor es auf die Bühne zur jährlichen Hauptversammlung geht, oder den Schnappschuss der handschriftlichen Notizen auf dem Redemanuskript. Sponsort das Unternehmen den Fußballclub, zahlt auch das Foto vom jubelnden CEO aufs Image des Unternehmens ein. Fotos der Kinder oder Lebensgefährten beim gemein samen Angelausflug – nein. Denn, wer die Tür zum „privaten CEO“ aufmacht, dem muss klar sein, dass dies Erwartungen schürt, immer tiefergehende Einblicke zu gewähren. Und dazu ist – mit gutem Recht – nicht jeder oder jede CEO bereit.
Persönlich oder personalisiert bedeutet für mich aber auch, dass CEOs mit ihrer Meinung zum öffentlichen Diskurs beitragen.
Das deckt sich mit den Erwartungen vieler Menschen, wie das Edelman Trust Barometer belegt. Demnach wünschen sich immer mehr Menschen eine klare Haltung von Unternehmen zu gesellschaftspolitischen Themen. Gleichzeitig bin ich der Meinung, dass nicht jeder CEO zu allem eine Meinung äußern muss – Haltung sollte dann bezogen werden, wenn es das Business betrifft und der Bei trag wirklich Substanz hat. Deshalb hat sich SAP-CEO Christian Klein 2024 bewusst in der Manager-Magazin-Serie „Warum Deutschland den Bach raufgeht“ zu Wort gemeldet. Es war ihm ein persönliches Anliegen, eine strategische Einordnung zur Wirtschaftslage zu geben und Zuversicht und Vertrauen zu vermitteln, wo es anderen abhandengekommen war. Apropos abhandenkommen.
Stabilität im Wechsel
Was passiert, wenn ein CEO das Unternehmen verlässt? Die leicht unbefriedigende Antwort: Es kommt darauf an, wie symbiontisch die Personal Brand mit der Corporate Brand verbunden sind. Steve Jobs war Apple, Apple war Steve Jobs. Je höher die Identifikation des Unternehmens mit dem CEO, desto größer das Vakuum, das es nach seinem Ausscheiden zu füllen gilt. Bei Apple waren die Befürchtungen groß, dass Tim Cook die Fußstapfen des charismatischen Gründers nicht würde füllen können. Doch Cook setzte neue Themen, emanzipierte sich. Eine Strategie, die jede Nachfolgerin und jeder Nachfolger verfolgen sollte, um nicht als Abklatsch des Vorgängers zu gelten. Ein Vakuum kann vor allem dann entstehen, wenn ein CEO sehr lange dem Unternehmen vorstand. Ich hatte die Ehre beim DHL-Konzern, eine der mit fast einem Jahr Vorlauf wohl längsten Übergangsphasen in der Geschichte der CEO-Wechsel begleiten zu dürfen – und zugleich mit Frank Appel den am längsten amtierenden Dax-CEO, bevor er das Ruder an Tobias Meyer über gab. Trotz der langen Amtszeit, der starken Verbindung der Person Appel mit DHL und der langen Übergangsphase kam es weder zu einem „Lame-Duck“-Effekt noch zu einem Vakuum in der Wahrnehmung. Was war das Erfolgsrezept? Der Wechsel verlief reibungslos, weil wir diszipliniert über den gesamten Zeitraum hinweg zwischen dem amtierenden und dem zukünftigen CEO unterschieden haben. Jeder hatte weiterhin seine klar definierte Rolle, und wir boten Me dien keinen Nährboden für Spekulationen zu vermeintlichen Grabenkämpfen. Mit diesem sehr strukturierten Vorgehen hat die Kommunikation zur Stabilität in der Außenwahrnehmung beigetragen und dem Unternehmen eine souveräne Übergabe ermöglicht. Gegenteiliges Szenario: Je kürzer der Vorlauf, desto wahrscheinlicher, dass eine Kurswechsel nottut. Dann muss entweder die Corporate Brand wieder stärker in den Fokus rücken – durch Themen oder Produkte – oder der Nachfolger bewusst eine andere Facette zeigen als sein Vorgänger. Der ehemalige Deutsche-Bank-Chef John Cryan galt als Sanierer, bevor er von Christian Sewig, „dem bodenständigen Westfalen“, der die Bank in ruhiges Fahrwasser bringen sollte, abgelöst wurde. Es geht eben nicht nur um das Image des Unternehmens, sondern auch um die Phase, in der der jeweiligen CEO ein- oder abtritt und damit die Positionierung bedingt.
Teamplayer statt einsame Spitze
In meinen über 20 Jahren Erfahrung wird jedoch eine Sache deutlich: Die Rolle des CEOs selbst hat sich verändert. Mit Führungspersönlichkeiten wie Christian Klein sehen wir eine neue Generation von CEOs – sie sehen sich als Teil des Teams, jung, dynamisch, nah bar, kommunikativ. Sie hören zu, nehmen mit und treiben Wandel aktiv voran. Ein klarer Kontrast zu früher, als CEO-Führung oft distanzierter und exklusiver war. Heute erleben wir eine neue Form der Unternehmensführung – moderner, offener und stärker im Aus tausch mit Mitarbeitenden und Stakeholdern. Diese Offenheit sollte man als Kommunikatorin und Kommunikator nutzen. Deshalb möchte ich Sie ermutigen: Machen Sie CEO-Kommunikation auch zu Ihrem Herzensthema! Tragen Sie es in Ihre Organisationen, motivieren Sie Ihre oder Ihren CEO – zeigen Sie, was möglich ist. Davon können wir alle profitieren.