Diversity, Equity & Inclusion – Quo Vadis? Wie sich die Haltung von Unternehmen verändert
- Manuela Schreckenbach & Sven Heuser, Cision
- 8. Apr.
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 3 Tagen
Von MANUELA SCHRECKENBACH UND SVEN HEUSER
Manuela Schreckenbach ist seit 2002 bei Cision tätig und leitet seit 2022 als Head of Insights Consulting den Bereich Cision Insights in der DACH-Region. Die studierte Publizistin sammelte internationale Erfahrung durch Stationen in den USA und Großbritannien. Sie begleitet Marken und Unternehmen seit mehr als 15 Jahren mit Reputationsmessung und strategischer Beratung.

Sven Heuser unterstützt Kunden bei der Analyse und Interpretation von Kommunikations- und Mediadaten. Seitdem er 2019 bei Cision einstieg, hat er komplexe Datenanalysen durchgeführt und Medienlandschaften ausgewertet, um fundierte Entscheidungsgrundlagen für Kunden zu schaffen. Zuvor verantwortete er die tägliche Medienbeobachtung und die Erstellung von Medienberichten.
Vielfalt, Gleichstellung und Inklusion stehen momentan im Zentrum einer umkämpften Debatte: Zum Weltwirtschaftsgipfel in Davos erklärte US-Präsident Donald Trump, dass seine Regierung in den US-Bundesbehörden alle Programme für Diversity, Equity & Inclusion (DEI) beenden werde. Wie entwickeln sich die Debatten, wie handeln Unternehmen und welche Rolle spielt die Kommunikation?
Durch DEI sollen alle Menschen die gleichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft, Religion, körperlichen und geistigen Fähigkeiten oder der sexuellen Orientierung. Noch bis vor Kurzem war sich die große Mehrheit einig, das DEI-Initiativen zum Unternehmenserfolg und zur Produktivität beitragen. So sieht es auch eine Studie von McKinsey, laut der Unternehmen mit gemischten Führungsteams mit deutliche höherer Wahrscheinlichkeit profitabel sind.¹
Was passiert in den USA?
Doch wenden sich viele US-Unternehmen unter dem Druck der derzeitigen Regierung von ihren DEI-Initiativen ab. Präsident Trump verfolgt eine sogenannte „Anti-Woke“-Agenda, DEI steht für ihn für „Verschwendung“ und „Radikalität“. Zahlreiche US-Konzerne haben ihre Maßnahmen für Diversität bereits zurückgefahren, darunter Meta, Disney und mit Walmart der größte Arbeitgeber in den USA. Weitere in den USA tätige Firmen wie McDonalds, Google, Boeing und Ford haben angekündigt, ihre Initiativen für Gleichstellung zu reduzieren. Die Schlagzeilen darüber waren in den vergangenen Wochen auch in Deutschland präsent. Doch nicht alle Unternehmen ändern ihren Kurs: Der Großhändler Costco hält an seinen DEI-Programmen fest und nimmt damit eine intensive, extrem gespaltene öffentliche Debatte in Kauf. Auch die Aktionäre von Apple stimmten auf ihrer Hauptversammlung vor Kurzem für die Fortführung der DEI-Maßnahmen des Konzerns.

Und was passiert in Deutschland?
Auch in Deutschland wird über eine mögliche Abkehr von DEI-Initiativen in Unternehmen und die daraus folgenden Auswirkungen spekuliert. Die unternehmensbezogene DEI-Berichterstattung in den klassischen Medien und Diskussionen in den sozialen Medien haben seit dem vergangenen Jahr Monat um Monat abgenommen und ihren Tiefpunkt im November 2024 erreicht. Die Vermutung liegt nahe, dass die Präsidentschaftswahl in den USA hier eine Rolle gespielt hat.

Der Zeitverlauf zeigt die Entwicklung der Berichterstattung zu Diversity-Themen im Unternehmenskontext (Top 50 dt. Unternehmen): Zu sehen ist ein Minus von 65 Prozent in der Berichterstattung zu Diversity-Themen. Quelle: Cision
Deutsche Unternehmen, die im amerikanischen Markt stark vertreten sind, fürchten mögliche rechtliche Konsequenzen und Auswirkungen auf ihr Geschäft in den USA. Sie stehen unter Druck, sich zu positionieren, und müssen entscheiden, ob sie mit der neuen US-Regierung auf Konfrontationskurs gehen wollen. Aktuelle Medienberichte deuten darauf hin, dass Unternehmen das Label „DEI“ entfernen oder weniger prominent darstellen. Laut Deutschlandfunk zeigten sich die meisten Unternehmen weiterhin standhaft. SAP betrachte Inklusion als Erfolgsfaktor. Adidas wolle sich weiter für eine integrative Unternehmenskultur einsetzen. Die Lufthansa stehe weltweit für „Weltoffenheit, Toleranz, Vielfalt und die Verbindung von Menschen“. Doch man beobachte, ob sich die rechtlichen Rahmenbedingungen in den USA verändern werden. Viele Konzerne wollen die geltenden Gesetze, Vorschriften und Bestimmungen der US-Regierung einhalten, auch wenn sie sich Anti-DEI entwickeln. Es könne also passieren, dass die Unternehmen – trotz aller Bekenntnisse für Vielfalt und Weltoffenheit – in den USA ihre Personalpolitik ändern müssen. Aufsehen erregte laut dem „Spiegel“ der deutsche Lebensmitteleinzelhändler Aldi Süd. Auf dessen US-Webseite ist seit einigen Wochen der Begriff und Bereich DEI verschwunden. Stattdessen finden sich ein Statement zur Chancengleichheit und ein Bereich zu People & Culture auf der Karriereseite.
DEI bleibt ein Erfolgsfaktor
Laut Julia Sperling-Magro, McKinsey-Partnerin und Leiterin der People & Organizational Performance Practice in Deutschland und Österreich, spielen Vielfalt und Inklusion im Unternehmenskontext für Europa eine sogar noch wichtigere Rolle, „da gemischte Teams und eine inklusive Kultur in der Breite der Unternehmen noch weniger ausgeprägt sind als beispielsweise in den USA. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zahlt es sich umso mehr aus, vielfältige Perspektiven zu berücksichtigen und robustere Entscheidungen zu treffen.“ Doch die Frage, ob die DEI-Skepsis in Deutschland größer wird, steht derzeit im Raum. Allianz-CEO Oliver Bäte findet im Interview mit n-tv klare Worte. Diversität in der Bevölkerung und unter Arbeitnehmenden sei ein „großer Vorteil“. Es ginge darum, Talente zu fördern, unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht oder sexueller Orientierung. Inklusion sei „einfach gute Geschäftsstrategie“.
Allianz findet sich auch unter den deutschen Unternehmen mit dem größten Anteil an DEI-Berichterstattung. Gender-Vielfalt spielt medial die größte Rolle. Alle Unternehmen mit einem hohen Anteil von DEI-Themen an der gesamten Unternehmensberichterstattung besetzen das Thema glaubwürdig – durch einen hohen Frauenanteil im Vorstand oder durch Maßnahmen wie Elternzeitregelungen und Schließen des Gender-Pay-Gaps, die Gleichstellung effektiv praktizierbar machen.
DEI bedeutet Verantwortung
„Eine andere Sprache ist eine andere Vision des Lebens“, sagte der italienische Filmregisseur Federico Fellini und machte damit deutlich: Sprache verdeutlicht, wie wir leben wollen. Und derzeit ist eine rohe, hasserfüllte „Low Speech“ im Kommen. Als Brian Robert Thompson am 4. Dezember 2024 in New York ermordet wurde, feierten viele den Mörder in der darauffolgenden öffentlichen Diskussion und machten ihn zum Helden. Der aktuelle Edelman Trust Barometer zeigt, dass sich der Mangel an Vertrauen in Institutionen in den vergangenen Jahren zu einem Groll gewandelt hat. Unter den Befragten aus 28 Ländern fühlen sich 61 Prozent von Politik und Unternehmen im Stich gelassen. Sie glauben, dass diese Institutionen einen fairen Lebensstil beeinträchtigen. 40 Prozent äußern gar Akzeptanz oder Unterstützung für „feindseligen Aktivismus“ als Mittel zur Veränderung. Zugleich nimmt die gesellschaftliche Spaltung weiter zu. 63 Prozent der Menschen befürchten, mit Vorurteilen, Diskriminierung oder Rassismus konfrontiert zu werden – ein Anstieg um zehn Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr. Bemerkenswert ist, dass diese Sorge in allen Bevölkerungsgruppen wächst, unabhängig von Geschlecht, Einkommen, Alter oder ethnischer Zugehörigkeit.

Mit dem Diversity Score wird deutlich, welche Unternehmen, in Prozent ihrer gesamten Online-, Print- und
Social-Media-Berichterstattung in Deutschland von Juli 2024 bis Februar 2025 Diversity-Themen besetzen.
Quelle: Cision
Wie kann das zunehmende Auseinanderdriften der Gesellschaft verlangsamt und wie können das Miteinander sowie gegenseitige Unterstützung gestärkt werden? Diese Herausforderung betrifft alle Institutionen.
Für Unternehmen bleibt Diversität ein wesentlicher Aspekt für Mitarbeiterzufriedenheit und ein Faktor für Unternehmenserfolg. Laut einer Umfrage des Pew Research Center vom Oktober 2024 betrachten 52 Prozent der Beschäftigten Diversitätsprogramme als überwiegend positiv. Im Gespräch mit dem Deutschlandfunk betont Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Jutta Rump, die Notwendigkeit eines Diversitätsmanagements. Wenn man „in Führung investiert, gutes Personalmanagement hat, dann kann man die Aussage treffen, dass vielfältige Belegschaften besser performen und besser zum Unternehmenserfolg beitragen“.
DEI braucht Kommunikation
Kommunikation spielt eine zentrale Rolle sowohl beim Vorleben als auch bei der Vermittlung von DEI-Werten. Eine im Februar 2025 im „Journal of Public Relations Research“ veröffentlichte Studie hebt die essenzielle Bedeutung der PR für den Erfolg von DEI-Initiativen hervor. Die Autorinnen betonen die ethische Verantwortung von Unternehmen, die mit der Umsetzung von DEI-Maßnahmen einhergeht. Entscheidend sei dabei das Storytelling: DEI-Botschaften sollten nicht nur verbreitet, sondern durch authentische Erfolgsgeschichten erlebbar gemacht werden. Eine inklusive Kommunikation könne das Engagement aller Stakeholder nachhaltig stärken.
Quelle:
¹ McKinsey; Die Bedeutung von Vielfalt für den Geschäftserfolg wird immer stärker; 2024