Succession Management ‒ Die unterschätzte Form des Risikomanagements
- Thomas Lüdeke, PRCC Personal- und Unternehmensberatung GmbH
- 29. Apr.
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 3 Tagen
Thomas Lüdeke ist Managing Partner der auf Kommunikation, Public Affairs und Marketing spezialisierten PRCC Personal- und Unternehmensberatung. Er unterstützt Unternehmen und Führungskräfte seit 2010 erfolgreich bei Veränderungen – durch Executive Search, durch Interim Management, durch Outplacement und durch Assessment & Development. Außerdem ist er Board Member und Gründungsmitglied der Corporate Affairs Search Alliance (CASA), eines Zusammenschlusses führender Executive-Search-Unternehmen in acht Ländern.
Das Unternehmen steckt mitten in der Transformation, der CEO will positioniert sein, die Öffentlichkeit will Haltung sehen, das Kommunikationsteam ist jung und die Kommunikationsleitung – ist weg. Ob Renteneintritt oder berufliche Umorientierung: Wenn keine strukturierte Nachfolgeregelung besteht, bricht schnell Chaos aus. Und während prominente Fälle wie das Ausscheiden von Trigema-Chef Grupp ein Schlaglicht auf das Thema Unternehmensnachfolge geworfen haben, ist die Nachbesetzung von Schlüsselrollen in den einzelnen Unternehmensbereichen häufig niedrig priorisiert. Dabei handelt es sich auch hierbei um eine Form des Risikomanagements, schließlich kann eine unkoordinierte oder nicht vorhandene Unternehmenskommunikation reputationsgefährdend (und damit zumindest bei notierten Unternehmen auch kursrelevant) werden. Es kann also als Pflicht einer Führungskraft in der Kommunikation verstanden werden, diesem Reputationsrisiko entgegenzuwirken. Wie genau etabliert man aber ein durchdachtes Succession Management im Unternehmen und was genau bedeutet das? Entscheidet man sich besser für externe KandidatInnen oder baut man NachfolgerInnen lieber intern gezielt auf?
Wie Succession Management funktioniert – und wie nicht
Im Alltag in der Personalberatung zeigt der Blick hinter die Kulissen vieler Unternehmen ganz unterschiedliche Herangehensweisen. Wie sehr sich Prozesse unterscheiden können und wie abhängig ihr Verlauf von den handelnden Personen ist, zeigen zwei Beispiele aus den letzten Jahren:
PRAXISBEISPIELE
In beiden Fällen hat ein großer Konzern eine Nachfolge für die Kommunikationsleitung gesucht. Die einen haben ihren Chefkommunikator nach vielen Jahren der Firmenzugehörigkeit in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet – und obwohl sich dieser Abschied ja naturgemäß abgezeichnet hat, wurde lange gewartet, eine Nachfolge zu finden. Klar war nur: Es soll jemand Externes sein. Der Stelleninhaber selbst war intensiv in den Prozess involviert und wurde zum Gatekeeper. Er suchte eine jüngere Variante seiner selbst, während der CEO jemanden wollte, der frischen Wind bringt. Das Problem: Geeignete KandidatInnen kamen nicht über den ersten Bewerbungsschritt (das Gespräch mit dem Stelleninhaber) hinaus. Den aktuellen Stelleninhaber im Lead für die Nachfolgesuche zu belassen, hatte in diesem Fall eher einen negativen Effekt. Nach seinem letztendlichen Ausscheiden und dem erfolgreichen Einsatz einer Interim-Managerin konnte zwar auch hier am Ende die richtige Person gefunden werden, der Prozess aber zog sich unnötig in die Länge, bedurfte intensiver Beratung und war für alle Seiten deutlich nervenaufreibender, als es nötig gewesen wäre.
Im anderen Fall rief die Stelleninhaberin mit dem Anspruch an, jemanden zu finden, der oder die in fünf Jahren ihre Position übernehmen kann. Sie suchte eine Person, die das Unternehmen in Ruhe kennenlernen und in dieser Zeit gezielt auf die übergeordnete Führungsrolle vorbereitet werden kann. Jemanden, der bis zu ihrem Ausscheiden ein vertrauensvolles Verhältnis zum C-Level aufbauen und der Kommunikation den eigenen Stempel aufdrücken kann. Zwar ist auch diese Herangehensweise nicht frei von Herausforderungen, schließlich gilt es, noch nicht entfaltete Potenziale zu erkennen und sich darauf zu verlassen, dass die Person das nötige Commitment mitbringt. Es wurde aber auch klar: Die Kombination aus einem transparenten Prozess, offener Kommunikation, genug zeitlichem Vorlauf und vor allem der Fähigkeit, sich selbst als ersetzbar zu verstehen, führt deutlich ruhiger zum Ziel.
Transparenz ist erfolgsentscheidend
Etwa zwei Drittel der DAX-40-Kommunikationschefs sind für die Übernahme dieser Position aus anderen Unternehmen gewechselt. Die anderen 35 Prozent haben sich aus den eigenen Reihen in die Rolle hineinentwickelt, meist nach relativ langer Betriebszugehörigkeit.
„Succession Management wird bei uns als Teil des Risikomanagements verstanden“, gibt Robin Zimmermann, Senior Vice President Corporate Communications, Government Affairs und CSR bei Siemens Energy, einen Einblick in die Nachfolgeplanung des Münchener Konzerns. “Jede Führungskraft muss in der Lage sein, ad hoc mehrere Optionen zu benennen. Es ist eines unserer Leadership Essentials, eine potenzielle Nachfolge im Auge zu haben. Dafür haben wir ein ganz transparentes Programm, in dem ambitionierte MitarbeiterInnen gezielt gefördert und auf die nächsten Schritte vorbereitet werden – z. B. durch die Übernahme von konkreten Projekten und die Erarbeitung individueller Entwicklungspläne. Dafür fordert das Unternehmen allerdings auch Leistung.”
Damit die Strategie aufgeht, wird sie vom Top-Management vorgelebt und ihre Umsetzung regelmäßig im Austausch mit den Führungskräften diskutiert. Dabei geht es weniger um Fachwissen, sondern vor allem um Leadership-Kompetenz. Diese Fähigkeiten früh zu entdecken und zu wissen, welche Skills noch benötigt werden, ist nicht immer einfach. Personalberater begleiten solche Prozesse im Rahmen eines „Assessment und Development“-Ansatzes. Mit dem Blick von außen wird ein Prozess zur Identifikation der potenziellen NachfolgerInnen angestoßen. Basis dafür ist ein vertrauensvoller Austausch mit beiden Seiten, schließlich geht es für den Einzelnen um eine sehr persönliche Entwicklung und für das Unternehmen um eine elementare Entscheidung. Beides muss möglichst synchron verlaufen. Besonders relevant ist der offene Dialog mit beiden Seiten, mit der nötigen Transparenz, aber auch mit der unabdingbaren Vertraulichkeit. Das ermöglicht allen Beteiligten, offener zu sprechen, als es im betrieblichen Abhängigkeitsverhältnis der Fall ist. Stolpersteine werden so früh erkannt.
Im Ergebnis sieht die Personalberatung viele ambitionierte und talentierte KommunikatorInnen, die auf dem Weg nach oben sind, und begleiten sie oft über Jahre – mal aktiver, mal passiver. Es ist aber auch zu sehen, wie oft falsche Erwartungshaltungen, eine Diskrepanz in Selbst- und Fremdwahrnehmung oder fehlende Authentizität solche Prozesse beeinflussen. Transparenz und Offenheit ist daher in unserer Erfahrung einer der wichtigsten Faktoren, wenn es um die interne Entwicklung potenzieller NachfolgerInnen geht.
Mitarbeitendenbindung durch Perspektiven
Nicht zuletzt lohnt sich auch ein Blick auf die Mitarbeitenden: Fehlende Perspektiven im Unternehmen sind einer der häufigsten Gründe, warum ambitionierte Führungskräfte den Job wechseln. Immer wieder berichten KandidatInnen, dass ihnen im Vorstellungsgespräch Aufstiegsmöglichkeiten versprochen, passende Positionen dann aber extern besetzt wurden. Ist ein strukturiertes Succession Management wirklich ein gelebter Teil der Unternehmenskultur, kann es dazu beitragen, PotenzialträgerInnen im Unternehmen zu halten. Bestenfalls sehen die Mitarbeitenden täglich, welche Chancen der Arbeitgeber bietet und dass Talentförderung kein Lippenbekenntnis ist. Und selbst wenn die Wunschposition vielleicht doch mit jemand anderem besetzt wird: Die gezielte Vorbereitung auf den nächsten Karriereschritt trägt zur Schärfung des eigenen Profils bei und ist so in jedem Fall ein Benefit, der von ambitionierten Mitarbeitenden positiv aufgenommen wird und so die Arbeitgebermarke stärkt.
Der richtige Weg ist eine Frage der Unternehmenskultur
Fakt ist: Um Succession Management sinnvoll zu gestalten, darf das Thema nicht “nebenherlaufen”. Es ist kein Problem, das man dann angehen kann, wenn es akut wird, sondern es verdient besonderes Augenmerk und muss von der Top-Ebene eingefordert und vorgelebt werden.
Entscheidet man sich für eine externe Nachfolge, um den frischen Blick von außen zu bekommen und neue Impulse zu setzen oder weil man in der Belegschaft keine entsprechenden PotenzialträgerInnen sieht, sollte man sich frühzeitig auf die Suche begeben – insbesondere, wenn ein aktiver Neustart gewünscht ist, beispielsweise nach einer Restrukturierung oder weil die Abteilung, so wie sie ist, nicht das liefert, was gebraucht wird. Gerade in einem solchen Fall sind übergeordnete Faktoren wie Führungsansatz und Persönlichkeit wichtig. Findet der Besetzungsprozess dann unter Zeitdruck statt, werden möglicherweise die falschen Prioritäten gesetzt. Bestenfalls plant man großzügig drei Phasen ein: die Suche nach dem/der geeigneten KandidatIn, deren unter Umständen lange Kündigungsfrist und eine Einarbeitungs- bzw. Übergangsphase, in der im Idealfall sowohl die ausscheidende Person als auch die Nachfolge an Bord sind.
Wer seine Position intern übergeben möchte, tut gut daran, dies offen zu kommunizieren: Ohne eine geradlinige Abstimmung mit der Geschäftsführung geht es nicht, aber auch gegenüber den potenziellen NachfolgerInnen ist Transparenz empfehlenswert. Führungskräfte, die ihre Aufgaben sukzessive oder zu einem Zeitpunkt X an jemanden aus dem eigenen Unternehmen übertragen, sollten den Mut haben, loszulassen, sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen und Vertrauen in das eigene Urteil zu haben.
In a nutshell
Was es beim Succession Management zu beachten gilt:
Interne Nachfolge
Succession Management sollte Teil der Führungskultur sein – vom Top-Level bis in die unteren Führungsebenen.
Regelmäßige Routinen (1–2 × p. a.) zur Status-quo-Besprechung – sowohl mit den PotenzialträgerInnen als auch mit der Geschäftsführung.
Es bedarf ehrlicher und transparenter Kommunikation hinsichtlich der Erwartungen von beiden Seiten.
Bestenfalls sollten mehrere potenzielle KandidatInnen identifiziert, gefördert und begleitet werden, z. B. durch einen Weiterbildungsplan oder ein Leadership-Programm.
PotenzialträgerInnen sollten frühzeitig Zugang zum Top-Level erhalten – potenzielle NachfolgerInnen sollten in der Geschäftsführung bekannt sein, Vertrauen aufgebaut werden.
Externe Nachfolge
Wichtig ist eine seriöse Zeitplanung: Am Ende muss die Passgenauigkeit entscheiden, nicht die Frage, wer am schnellsten verfügbar ist.
Im Notfall lieber mit einem/r Interim-ManagerIn überbrücken, als jemanden einzustellen, der/die sich bei näherem Hinsehen doch nicht als ideale Nachfolge erweist.
Externe Beratung eröffnet neue Möglichkeiten, denn spezialisierte Personalberater kennen den Markt und wechselwillige PotenzialträgerInnen, begleiten diese oft über Jahre und sehen Entwicklungen.
Grundsätzlich ist es hilfreich, wenn man auch ohne akuten Personalbedarf den Markt im Blick behält und aktiv schaut, wer positiv auffällt. Kontakte zu knüpfen und zu pflegen ist immer eine gute Investition in die Zukunft.