Wie Künstliche Intelligenz die PR - Messung verändert und warum der Mensch weiterhin unverzichtbar bleibt
- Steffen Rufenach & Dr. Maya Koleva, R.A.T.E. & Commetric
- 2. Mai
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 6 Tagen
Von STEFFEN RUFENACH UND MAYA KOLEVA
Steffen Rufenach ist Gründer und Geschäftsführer der R.A.T.E. GmbH, einem auf Rankings-Management, Nachhaltigkeit und Kommunikationscontrolling spezialisierten Beratungsunternehmen. Darüber hinaus unterrichtet er als Dozent für Kommunikationscontrolling an der Hochschule Hannover. Über seine Mitarbeit im Internationalen Controllerverein (ICV) und der Association for Measurement and Evaluation of Communication (AMEC) wirkt er aktiv an der Weiterentwicklung des Kommunikationscontrollings und dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz mit.
Dr. Maya Koleva ist Leiterin für Forschung und Analyse bei Commetric, einer auf Kommunikationscontrolling spezialisierten Beratungsfirma und Vorstandsmitglied von AMEC (Association for the Measurement and Evaluation of Communication). Sie entwickelt Methoden zur PR- und Medienmessung mit Fokus auf KI, Medienanalyse und Social-Media-Diskurse.
„Ick bün all hier“ – „Ich bin schon da“. Mit diesen Worten überrascht der Igel in der bekannten Fabel seinen Kontrahenten, den Hasen – und gewinnt den Wettlauf nicht durch Schnelligkeit, sondern durch kluge Taktik. Eine passende Metapher für den Umgang mit Künstlicher Intelligenz (KI) in der PR: Während manche noch über die Zukunft diskutieren, ist die Technologie längst in der Praxis angekommen. Doch wer erfolgreich sein will, sollte nicht nur auf Tempo setzen, sondern auf strategischen und verantwortungsvollen Einsatz.
KI transformiert alles – Public Relations inklusive. Die Möglichkeiten reichen von der Strategieentwicklung und Inhaltserstellung bis hin zur Evaluation von PR-Ergebnissen. Im Jahr 2018, lange bevor ChatGPT in aller Munde war, veröffentlichte das Chartered Institute of Public Relations ein Whitepaper mit dem Titel: „Humans still needed: An analysis of skills and tools in public relations“. Eine Schlussfolgerung, die heute noch immer zutrifft. Seit Veröffentlichung des Whitepapers – in den vergangenen zwei Jahren umso mehr – haben sich KI-Anwendungen in bemerkenswerter Geschwindigkeit weiterentwickelt. Insbesondere die Large-Language-Models (LLMs) haben die Nutzungsmöglichkeiten von KI-basierten Tools auf neue Höhen gebracht. Diese Entwicklung ermöglicht es PR-Profis nicht nur, die öffentliche Stimmung schneller und genauer einzuschätzen, sondern auch Trends vorherzusagen, Reputationsrisiken in Echtzeit zu bewerten und datengesteuerte Einblicke zu liefern, die PR-Strategien bereichern und verfeinern können.
Daten sind der Schlüssel …
Erfolgreiche PR-Strategien basieren auf kontinuierlicher, nachvollziehbarer Erfolgsmessung, um sicherzustellen, dass die Maßnahmen die Unternehmensziele fokussieren und bei den wichtigsten Zielgruppen Anklang finden. Die Nutzung von KI-Tools kann diese Erfolgsmessung erheblich erleichtern. Um dies jedoch effektiv zu tun, müssen Kommunikationsprofis wachsam bleiben und die Stärken und Schwächen der neuen Tools verstehen. Die richtigen Fragen zu stellen, bedeutet: Welche Datenquellen sind relevant? Sind die genutzten Algorithmen transparent und zweckdienlich? Und wie können Ergebnisse sinnvoll in Strategien übersetzt werden, um die Unternehmensziele zu erreichen?
Unabhängig davon, ob Unternehmen Tools nutzen, sich auf eine Plattform verlassen oder einen Dienstleister einsetzen, bleiben die Grundlagen einer erfolgreichen PR-Messung dieselben: qualitativ hochwertige Daten.
KI hat die Art und Weise, wie PR-Daten gesammelt, verarbeitet und analysiert werden, zweifellos revolutioniert. Doch es ist wichtig, zwischen den eingesetzten Tools, den Daten, den Metriken und dem eigentlichen Ziel der Bewertung klar zu unterscheiden.
… doch gute Daten sind kein Zufall
Die PR-Evaluation gehört zur umfassenden Media-Intelligence-Branche, die Werkzeuge und Dienstleistungen wie Medienbeobachtung, Pressemitteilungsversand, Social-Media-Monitoring und sogar Verbraucheranalysen umfasst. Während in den Anfängen Zeitungsartikel noch manuell ausgeschnitten und analysiert (kodiert) wurden, sind heute KI-Funktionen fester Bestandteil fast aller Tools und versprechen schnellere, kosteneffizientere Datenerfassung.
Doch so smart die Technologie auch ist, entscheidend bleibt die Datenbasis, also die Artikel, Posts, Websiten usw. PR-Profis kaufen nicht nur Tools oder Dienstleistungen – sie erwerben vor allem die zugrunde liegenden Daten. Nur qualitativ hochwertige Daten ermöglichen belastbare Metriken wie Reichweite, Sentiment oder Share of Voice – und damit fundierte Rückschlüsse auf den kommunikativen Erfolg. Um die Datenqualität sicherzustellen, ist es essenziell, Transparenz von den Anbietern einzufordern und sich nicht mit pauschalen Aussagen zufriedenzugeben. Wichtig ist daher, bei der Tool-Auswahl kritisch zu prüfen: Welche Quellen fließen ein – fehlen branchenspezifische Medien? Sind die Quellen repräsentativ oder gibt es Verzerrungen hinsichtlich bestimmter Stakeholdergruppen? Wie wurde das zugrunde liegende Modell trainiert – gibt es Bias-Risiken durch unausgewogene Daten oder mangelnde Fachsprache? Und wie präzise arbeitet das System – erkennt es relevante Inhalte zuverlässig, oder ist der Recall zu niedrig? Wichtig ist auch, ob sich eigene Themen oder Schlagwörter definieren lassen und wie aufwendig das ist. Nicht zuletzt gilt es zu klären, ob die Analyse vollständig automatisiert erfolgt oder ob menschliche Expertise eingebunden ist.
Nur wenn Unternehmen die Antworten auf diese Fragen kennen, kann sichergestellt werden, dass die Auswertungen richtig eingeordnet und genutzt werden können. Dasselbe Prinzip gilt, wenn KI-gesteuerte Metriken wie eine Sentiment-Analyse oder eine Themensegmentierung bewertet werden. Hier variieren die Ergebnisse von Anbieter zu Anbieter erheblich.
Der Mensch macht den Unterschied
Trotz all dieser technologischen Möglichkeiten bleibt eine Konstante: der Mensch. KI-Tools können enorme Datenmengen schneller analysieren als jedes menschliche Team, aber die Interpretation dieser Daten und das Verständnis ihrer Auswirkungen auf die Unternehmensziele und den Geschäftserfolg erfordern immer menschliche Expertise. Im Rahmen einer umfassenden PR-Evaluation werden Kommunikationsmaßnahmen und Unternehmensziele in Beziehung gesetzt, um zu verstehen, ob die Aktivitäten nicht nur für Visibilität gesorgt haben, sondern auch die gewünschten Ziele im Hinblick auf Vertrauen, Reputation und Stakeholder-Verhalten eingezahlt haben. Was hat funktioniert und was nicht? Gibt es Indikationen für Verbesserungen? Die KI kann dabei helfen, diese Fragen zu beantworten, aber nur, wenn sie nicht als „Einrichten und Vergessen“-Lösung betrachtet wird. Vielmehr muss das Tool auf Basis der sich ändernden Fragestellungen, aber auch Datengrundlagen angepasst, weiterentwickelt und optimiert werden.
Disruptionen und Trends
Eine der auffälligsten Veränderungen durch KI in der PR-Messung ist die Automatisierung wiederkehrender Analyseprozesse. So lassen sich heute Spitzen in der Medienberichterstattung nahezu in Echtzeit erkennen, etwa durch KI-gestützte Alerts oder Tageszusammenfassungen. Diese zeigen auf, welche Ereignisse – wie Produktlaunches, Social-Media-Trends oder Wettbewerberaktivitäten – für einen Ausschlag verantwortlich waren. Auch wenn solche Funktionen nicht revolutionär erscheinen, bieten sie im Alltag einen erheblichen Mehrwert: Sie sparen Zeit, verschaffen Überblick und ermöglichen eine schnellere strategische Reaktion.
Darüber hinaus ermöglichen KI-Tools die Analyse umfangreicher Textkörper – etwa zur Identifikation von Mustern in der Stakeholder-Kommunikation. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse sind besonders wertvoll, wenn sie als Grundlage für vertiefende Analysen und strategische Entscheidungen genutzt werden. Dabei bleibt der Mensch zentral: Die Auswertung ist ein iterativer Prozess, der laufende Interpretation, Anpassung und Qualitätskontrolle erfordert. Nur so lässt sich sicherstellen, dass Analyseergebnisse nicht nur technisch korrekt, sondern auch kontextuell relevant sind.
Ein vielversprechender, aber noch junger Trend ist der Einsatz von Vorhersagemodellen. Sie sollen künftig Prognosen zur Medienresonanz oder zu potenziellen Reaktionen von Zielgruppen auf bestimmte Ereignisse liefern. Auch wenn die Verlässlichkeit dieser Tools aktuell noch begrenzt ist, zeigt sich bereits ein klarer Entwicklungspfad: Mit zunehmender Datenqualität und einer von Algorithmen beeinflussten Medienlandschaft, die immer differenzierter, aber auch berechenbarer wird, rückt die Simulation künftiger Kommunikationsentwicklungen in greifbare Nähe. Das Durchspielen verschiedener Kommunikationsszenarien könnte damit langfristig zu einem zentralen Element vorausschauender PR-Strategien werden.
Die Zukunft von KI in der PR-Messung
KI hat die Landschaft der PR-Messung nachhaltig verändert, doch sie bleibt ein Werkzeug – kein Allheilmittel. Mit der wachsenden Zahl an KI-gestützten Tools auf dem Markt ist es entscheidend, dass Kommunikationsprofis wachsam bleiben, kritische Fragen stellen und Transparenz bei der Daten- und Funktionsweise der Tools einfordern. Mit der richtigen Balance aus Technologie, Daten und Mensch bietet KI eine enorme Chance. Doch auch in Zukunft wird der Erfolg davon abhängen, wie gut es gelingt, leistungsstarke Werkzeuge sinnvoll einzusetzen und aus den gewonnenen Erkenntnissen echte Mehrwerte zu schaffen – jenseits von reiner Informationsfülle.
Die Fabel vom Hase und Igel zeigt: Nicht der Schnellste gewinnt, sondern von derjenige, der mit Strategie und Übersicht handelt. In der PR-Messung bedeutet das: Auch wenn KI-Tools schneller Daten analysieren als jedes Team, kommt der eigentliche Erfolg nicht durch Automatisierung allein. Wer – wie der Igel – den Überblick behält, seine Werkzeuge gezielt einsetzt und auf menschliches Urteilsvermögen vertraut, wird am Ende vorne liegen. Die Herausforderung für PR-Profis liegt nun darin, die richtigen Fragen zu stellen, die passenden Tools auszuwählen – und den eigenen strategischen Kompass nicht aus der Hand zu
geben.
BLACK BOX WAR GESTERN
5 Fragen für Transparenz in den Datengrundlagen
Welche Datenquellen fließen ein – und welche fehlen?
Zum Beispiel: Integriert das Tool traditionelle Medien, soziale Medien oder branchenspezifische Publikationen? Ein Modell, dem Daten aus Branchenquellen fehlen, könnte bedeutende Trends oder Wettbewerbsbewegungen in spezialisierten Bereichen übersehen.
Wie wurden die Modelle trainiert – gibt es Bias-Risiken?
Wenn ein Modell hauptsächlich auf allgemeinen Verbraucherdaten trainiert ist, versteht es möglicherweise nicht die Komplexitäten der technischen oder regulatorischen Sprache der Branche, was zu irrelevanten oder sogar irreführenden Analysen führen kann. Wie wurde im Kontext ethischer Erwägungen mit potenziellen Bias umgegangen? Beispielsweise könnten bestimmte demografische Gruppen in den Trainingsdaten unterrepräsentiert sein, wodurch die KI ihre Perspektiven übersehen oder missverstehen könnte.
Wie genau ist das Modell in Bezug auf Recall und Präzision?
Ein Modell mit hoher Präzision weist bei der Klassifizierung von Inhalten eine geringe Fehlerquote auf. Ein niedriger Recall führt jedoch dazu, dass viele relevante Artikel übersehen und nicht analysiert werden. Das Resultat ist ein verzerrter Blick und ggf. darauf basierende falsche Entscheidungen.
Wie anpassbar ist es und zu welchen Kosten?
Ermöglicht das Tool, eigene Schlüsselwortlisten oder Themen zu definieren? Dies könnte besonders für kleinere Branchen kritisch sein.
Sind die Abläufe komplett automatisiert, oder wo sind menschliche Analyst:innen im Prozess eingebunden?
Bei einer vollständigen Automatisierung wäre zu fragen, wie das Tool Genauigkeit, Kontext und die Einhaltung ethischer Regeln sicherstellt?