Wirkungsvolle Nachhaltigkeitskommunikation ‒Technologie als unterschätzter Erfolgsfaktor
- Uta-Micaela Dürig & Heidrun Haug
- 2. Mai
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 6 Tagen
Von UTA-MICAELA DÜRIG UND HEIDRUN HAUG
Uta-Micaela Dürig leitete mehr als 20 Jahre lang die Unternehmenskommunikationsbereiche von Unternehmen, davon rund 11 Jahre lang die Konzernkommunikation bei BOSCH, wo sie auch den weltweiten Sustainability- & CSR-Bereich global aufbaute. Anschließend widmete sie sich als Geschäftsführerin der Robert Bosch Stiftung und Vorständin eines freien Wohlfahrtsverbandes der sozial-gesellschaftlichen Dimension von Nachhaltigkeit. Dürig ist heute Transformations- und Sustainability-Beraterin und publiziert Fachbücher. Sie ist als Hochschuldozentin sowie Mitglied in Aufsichtsräten und Stiftungskuratorien tätig. Uta-Micaela Dürig ist Ehrenmitglied der Deutschen Public Relations Gesellschaft (DPRG).
Heidrun Haug ist Technologie-Journalistin. Heute ist sie geschäftsführende Gesellschafterin der Tübinger Kommunikationsagentur Storymaker GmbH. Früh setzte sie auf Storytelling als glaubwürdiges Mittel der PR und auf eine wertebasierte Unternehmenskultur. Sie ist Weltethos-Ambassador und Co-Gründerin des Projekts Responsible Communication (ResCom) sowie der aus dieser Initiative resultierenden ResCom Academy.
„ESG ist tot. Es lebe die wahrhafte, wirkungsvolle Nachhaltigkeit.“ Diese Einschätzung eines angesehenen Fondsmanagers vor 6.000 Investmentbankern beim FONDS Kongress in Mannheim verblüffte und schockierte zunächst im Januar 2025. Was steckte hinter diesem Ansatz? Und wie definiert man Nachhaltigkeit vor dem Hintergrund der technologischen Sprünge von Künstlicher Intelligenz (KI)? Welchen Stellenwert hat Kommunikation im Nachhaltigkeitsmanagement? Und wie wirkungsvoll kann ganzheitliches nachhaltiges Wirtschaften mit der entsprechenden Kommunikation sein?
Am Ende einer Recherche für ein im Dezember 2024 erschienenes Fachbuch standen umfassendes theoretisches Wissen über neueste Modelle der Nachhaltigkeit sowie theoretische wie praktische Ansätze der Nachhaltigkeitskommunikation. Unter anderem neu war die klare Erkenntnis, dass die Triple-Bottom-Line-Definition aus den Neunzigerjahren nicht mehr passend ist und daher in eine umfassendere Definition mit der technologischen Facette von Nachhaltigkeit zu erweitern ist. Und außerdem wurde deutlich: Nachhaltigkeit bleibt das Gebot der Stunde – trotz oder gerade wegen der lauter werdenden Klimaleugner.
Aber der Reihe nach. Eine Beobachtung zu Beginn: In vielen, gerade auch mittelständischen Unternehmen, ist das Thema Nachhaltigkeit noch kein integraler Bestandteil der Unternehmensstrategie. Bereiche der Unternehmenskommunikation und der Nachhaltigkeit fristen ein häufig abgetrenntes Unternehmensleben. Die Folge: Das Thema Kommunikation spielt häufig eine untergeordnete bzw. nachgeordnete Rolle im Nachhaltigkeitsmanagement. Das volle Potential der Nachhaltigkeitsbestrebungen schöpfen dadurch noch lange nicht alle Institutionen aus.
Kommunikation als Wegbereiter der Nachhaltigkeit

Dabei hat Kommunikation gerade beim Thema Nachhaltigkeit eine bedeutende Funktion als Wegbereiter und Katalysator. Denn sie sensibilisiert, mobilisiert, aktiviert und schafft Plattformen zur Reflexion und Innovation. Darüber hinaus schafft Kommunikation erst den Boden für Allianzen für gemeinsames nachhaltiges Handeln innerhalb und außerhalb des Unternehmens: Denn Partner als auch Dienstleister von Unternehmen müssen erst verstehen, bevor sie sich für Allianzen ansprechen lassen und in Nachhaltigkeitsaktivitäten einsteigen bzw. mitziehen – wie beispielsweise Zulieferer von Unternehmen im Hinblick auf Ressourcenschonung, Upcycling oder Gestalten neuer Materialien für Fahrzeuge, die zum Beispiel echtes Leder ersetzen. Nachhaltigkeitskommunikation kann die Aufgabe einnehmen, Menschen für Nachhaltigkeit zu begeistern, ihnen die notwendigen Fakten zur Verfügung zu stellen, sie weiterzubilden und am Ende zu empowern, selbst aktiv zu werden. Denn je mehr sich Menschen innerhalb und außerhalb der Organisationen engagieren, desto größer die Wirkung. Darum kommt auch auf die Führungskräfte und die Führungskommunikation eine bedeutendere Rolle zu. Mit Dialogen, in Foren und mit Checklisten kann überprüft werden, wie sicher sich Führungskräfte bereits im Thema Nachhaltigkeit fühlen und wo noch Weiterbildungsbedarf besteht.
Nachhaltigkeitskommunikation obliegt daher eine zentrale Funktion. Deshalb muss sie selbst auch nachhaltig agieren – mit Blick auf Mobilität, digitale Kommunikation, Werbemittel, Speicherkapazitäten auf Rechnern und Kampagnen etc. Anderenfalls ist sie nicht glaubwürdig.
Kommunikator:innen als Pioniere des Wandels
Kommunikator:innen sind entscheidende Akteur:innen des Wandels zu einem nachhaltigeren Wirtschaften und Leben. Doch wie können sie dem nachkommen? Dafür müssen sich Arbeitsweise, Rolle und Selbstverständnis verändern. Kommunikation kann mit Geschichten und Dialogen eine enorme Wirkkraft entfalten. Dafür ist es notwendig, dass Kommunikator:innen von Informationsvermittelnden zu Strateg:innen werden und auf Augenhöhe mit Nachhaltigkeitsmanagern an wünschenswerten Zukünften arbeiten – dann werden sie zu Pionieren in der Transformation.
Kommunikation war schon immer von neuen Technologien geprägt – von der Schrift über den Buchdruck bis heute zum Internet.
Andererseits verändert sich Kommunikation mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Aktuell steht Nachhaltigkeitskommunikation einerseits unter dem Druck öffentlicher Diskussionen, die oft verzerrt werden durch die algorithmische Logik der von wenigen Betreibern kontrollierten Plattformen. Andererseits verdrängt die als Lösungs- und Innovationsthema angepriesene Künstliche Intelligenz (KI) die Notwendigkeit der nachhaltigen Transformation, die eher mit Belastung, Verlust und Verzicht betrachtet wird. Wer in diesem volatilen Umfeld bestehen und Nachhaltigkeit vorantreiben will, muss Kommunikation als strategischen Erfolgsfaktor einsetzen.
Nachhaltigkeit erfolgreich kommunizieren
Konkret bedeutet dies, dass Nachhaltigkeitskommunikation den Schwerpunkt auf Dialog und Partizipation verlagern muss – intern wie extern. Das setzt ein tiefes Verständnis voraus, wie eine Organisation zu Lern- und Austauschprozessen kommen kann. Dialoge sind eine Einladung zur gemeinsamen Verständigung. Dafür bedarf es einerseits Orientierung und Klarheit bei den Zielen und dem ethischen Kompass und andererseits Offenheit für andere Sichtweisen sowie Akzeptanz von Vielstimmigkeit. In der heutigen Medienwelt, die jedem Menschen die Beteiligung an Diskursen ermöglicht, ist Medienmündigkeit der Schlüssel zu einer Dialogkultur, in der gemeinsam um nachhaltige Lösungen gerungen wird. Jeder und jede muss eine selbstbestimmte Mediennutzung erlernen, reflektierend Medien nutzen können, Faktenchecks inklusive. Selbstbestimmte Entscheidungen setzen eine auf Fakten basierte, reflektierte Urteilskraft voraus. Im Konzept der „redaktionellen Gesellschaft“ des Medienwissenschaftlers Bernhard Pörksen ist der Rahmen für nachhaltige Kommunikationsprozesse definiert.

Außerdem ist Nachhaltigkeit kein Projekt, sondern eine Daueraufgabe. Es gibt drei Prinzipien für eine einflussreichere Nachhaltigkeitskommunikation: Erstens die Entwicklung einer Hoffnungsrhetorik, die mit Vorstellungskraft und Geschichten positive Impulse setzt. Konkrete Utopien sind eine menschliche Stärke. Gerade die Entwicklung non-fossiler Szenarien dürfen wir nicht der KI überlassen. Zweitens die Orientierung an ethischen Standards, die auch ein Überdenken von Prozessen und des kommunikativen Agierens in der digitalen Medienwelt impliziert – einschließlich der Frage, wie Kommunikation selbst nachhaltiger werden und den eigenen CO2-Fußabdruck reduzieren kann. Drittens haben Kommunikationsverantwortliche eine wichtige Aufgabe, im Sinne des Konzepts der „redaktionellen Gesellschaft“ des Medienwissenschaftlers Bernhard Pörksen die Medienmündigkeit zu fördern und gerade bei dem komplexen und unter Druck stehenden Thema Nachhaltigkeit die Maxime des klassischen Journalismus anzuwenden: zuerst prüfen, dann publizieren.
Vier Beispiele aus unterschiedlichen Sektoren:
Unternehmen
Miele
Das Traditionsunternehmen Miele fährt bereits seit einigen Jahren sehr erfolgreich einen ganzheitlichen Ansatz von Nachhaltigkeit als integralem Bestandteil der Unternehmensstrategie und mobilisiert Führungskräfte wie Mitarbeiter, Partner und Dienstleister, nachhaltiges Wirtschaften zu unterstützen. Hilfreich dabei: Die Vorständin für HR ist gleichzeitig auch für Kommunikation und Nachhaltigkeit verantwortlich. Damit wird die Wirkung aller Bestrebungen zur Verankerung des Themas Nachhaltigkeit gesteigert.
Hochschule
Universität Tübingen
Aus der Perspektive der Wissenschaftskommunikation lädt die Hochschule Bürgerschaft und zivilgesellschaftliche Akteure ein, gemeinsam mit Forschenden auf eine Lernreise zu gehen.
Regierung
Japan
Wie eine technologiepositive Kommunikation mit der gesellschaftlichen Langzeitperspektive für eine Society 5.0 verknüpft wird, ist eine Erfolgsgeschichte aus Japan.
Agentur
Ein Autorenteam der Agentur Klenk & Hoursch beschreibt organisatorische Veränderungen, die Strukturen der Kollaboration schaffen, die Menschen zusammenbringen und Kommunikatoren zu Change Enablern machen.
Technologie muss gleichwertige Stellung erhalten
Eine weitere Erkenntnis ist, dass es mehr als Zeit ist, der wachsenden Bedeutung von Technologie einen gleichwertigen Stellenwert innerhalb der Nachhaltigkeit einzuräumen: Den üblichen Dimensionen von Nachhaltigkeit des Triple-Bottom-Line-Ansatzes aus den Neunzigerjahren muss also eine weitere Dimension hinzugefügt werden: neben ökonomisch, ökologisch und sozial gehört auch technologisch gleichwertig in den Fokus aller Aktivitäten dazu. Denn: Technologie wird nicht nur im Nachhaltigkeitsmanagement eingesetzt, Technologie muss auf dem Radarschirm bleiben, weil es auch Nachteile beinhaltet wie Voreingenommenheit (Bias) durch einseitig programmierte Algorithmen. Außerdem verbrauchen Rechenzentren für Digitalisierung und KI bereits heute 4-5 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs – Tendenz steigend. Es lohnt sich also, dem Thema Technologie einen breiteren Fokus zu geben und Ressourcenschonung sowie soziale Gerechtigkeit auch in diesem Bereich konsequent voranzutreiben bzw. Ungerechtigkeiten entgegenzuwirken. Nachhaltigkeit bleibt deshalb Gebot der Stunde, dies zeigen nicht allein Unwetter-Katastrophen und soziale Herausforderungen.
ESG ist daher nicht tot, auch wenn Regulatorik und Gesetze derzeit auf dem Prüfstand stehen und sich pragmatisch und zielorientierter als möglicherweise zuvor weiterentwickeln werden. Grundvoraussetzung ist es aber und für den Erfolg entscheidend, dass Nachhaltigkeit integraler Bestandteil der Unternehmensstrategie ist und Nachhaltigkeitskommunikation selbstbewusst auf Augenhöhe im Nachhaltigkeitsmanagement eine bedeutende Rolle spielt.
Daher anbei eine neue Definition von Nachhaltigkeitskommunikation und Nachhaltigkeit für die Zukunft, die es ermöglicht, mehr Wirkung zu erzielen. Angesichts der riesigen Herausforderungen unserer Zeit ist das mehr als notwendig.
Definition nachhaltigkeitskommunikation
Nachhaltigkeitskommunikation befördert nachhaltiges Handeln in allen maßgeblichen Dimensionen: ökonomisch, ökologisch, sozial sowie technologisch.
Nachhaltigkeitskommunikation richtet sich an Einzelpersonen, Organisationen, Interessengruppen und an alle Mitglieder der Gesellschaft.
Dabei geht es um Themen der Nachhaltigkeit wie Werte, Haltung, Ziele, Maßnahmen, Methoden und kontinuierliche Verbesserung. Dazu tragen alle durch ihr Verhalten und Engagement bei.
Nachhaltigkeitskommunikation muss selbst nachhaltig sein. Nachhaltigkeitskommunikation aktiviert und gestaltet. Nachhaltigkeitskommunikation ist menschenzentriert, glaubwürdig und verantwortungsvoll.