Ohne Kommunikation keine Strategie ‒ Ein Plädoyer für Kommunikation als Business-Strategie
- Dr. Clara Herdeanu, Xayn
- 4. Apr.
- 7 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 7 Tagen
Dr. Clara Herdeanu ist Chief Communications Officer des KI-Unternehmens Xayn, Entwickler von Europas erster souveränen Rechts-KI Noxtua. Als promovierte Linguistin und PR-Profi verbindet sie wissenschaftliche Expertise mit praktischer Erfahrung in der Techbranche. Mit mehr als zehn Jahren Erfahrung auf Agentur- und Unternehmensseite von Maschinenbau bis Tech teilt die passionierte Europäerin ihr Wissen zu Kommunikation, KI, Sprache, Politik, Macht und Medien als Autorin und Speakerin. Sie studierte in Heidelberg und Rom und ist Alumna der Studienstiftung des deutschen Volkes, der Konrad-Adenauer-Stiftung sowie der Deutschlandstiftung Integration.
KI ist das Gesprächsthema der Stunde. Wer etwas auf sich hält, spricht über KI – auch und gerade in der Kommunikationsbranche. Als ich vor mehr als fünf Jahren bei dem forschungsbasierten KI-Start-up Xayn anfing, war dies noch nicht der Fall. Die Kommunikationsherausforderung damals bestand darin, ein sehr abstraktes, trockenes Thema in mundgerechte Häppchen aufzuteilen, damit überhaupt jemand willens war, einem kleinen, noch recht unbekannten Start-up zuzuhören. Mit ChatGPT ist KI in der breiten Öffentlichkeit angekommen, der Markt für KI-Anwendungen ist förmlich explodiert und die mediale Aufmerksamkeit rapide gestiegen. Nicht ohne neue Herausforderungen mit sich zu bringen: Zum einen ist nicht alles KI, was glänzt, zum anderen ist in der Öffentlichkeit mittlerweile auch eine Art medialer KI-Übersättigung vorhanden. Und so ist es auf eine andere Weise herausfordernder geworden, sich Gehör zu verschaffen. Das forschungsbasierte Start-up Xayn entwickelt mittlerweile Europas erste souveräne Rechts-KI Noxtua, hat namhafte Kanzlei en, Konzerne und die öffentliche Hand als Kunden und ist einer der starken Player im Markt geworden – ohne einen Euro für Marketing auszugeben. Eine ganz entscheidende Rolle für den Unternehmenserfolg spielte die langfristig ausgelegte strategische Kommunikationsarbeit, getrieben von der grundlegenden Erkenntnis, dass Kommunikation kein nachgelagertes Ereignis, sondern von elementarer Bedeutung für die Business-Strategie insgesamt ist. Dieser Beitrag soll deshalb anhand der gesammelten Erfahrungen am Beispiel Produkt-Launch-Kommunikation aufzeigen, wes halb Kommunikation entscheidend für den Unternehmenserfolg ist und wie sie sinnvoll strategisch aufgestellt werden kann. Und auch wenn sich diese Erfahrungswerte auf Start-ups beziehen, lassen sich die grundlegenden Erkenntnisse auch auf andere Organisationen übertragen.
Strategische Kommunikation ist mehr als nur Berichterstattung
Strategische Kommunikation bedeutet dabei nicht nur, mediale Berichterstattung zu erlangen. Stattdessen geht es darum, durch die gelungene Orchestrierung verschiedener Kanäle in der Öffentlichkeit das gewünschte Profil für die Organisation aufzubauen, für die Organisation relevante Multiplikator*innen und VIPs von sich zu überzeugen, sie erfolgreich im Markt zu positionieren und sich eine glaubwürdige Reputation zu erarbeiten. Bevor hier aber der erste Schritt in die Öffentlichkeit gemacht werden kann, sollte zunächst intern geklärt werden – am besten auf höchster Ebene und direkt mit den Kommunikationsverantwortlichen am Tisch –, warum sich das Unternehmen bei wem wie positionieren will, für was es eigentlich steht und worin es sich von anderen Marktteilnehmern unterscheidet. Hierbei kommt es nicht auf kleine technische Detailfragen an, sondern es geht um das große Ganze. Dies geschieht idealerweise Hand in Hand mit dem Marketing – ohne jedoch zu sehr ins Hochglanz-Branding zu verfallen. Schließlich haben Kommunikator*innen (und deren primäre Ziel gruppe Journalist*innen) sehr viel höhere Ansprüche an Authentizität und Glaubwürdigkeit. Jungen Unternehmen fällt so eine Bestandsaufnahme meist leichter, da sie stärker im Fluss sind – was jedoch wiederum ganz eigene Herausforderungen bei der Kohärenz und Konsistenz mit sich bringt. Bereits etablierte Unternehmen mögen diesen Schritt hingegen als überflüssig empfinden, haben sie doch bereits eine lange Historie, oder als mühsam, da man unter Umständen mit alten Mustern brechen muss. Egal, was der Hintergrund einer Organisation ist, unterm Strich bleibt es dabei, dass sie für sich selbst definieren sollte, was sie auszeichnet – verbunden mit der Frage, warum die „Welt da draußen“ sich überhaupt dafür interessieren sollte.
PR-Durststrecken strategisch nutzen
Geht es um einen konkreten Produkt-Launch, beginnt die Kommunikationsstrategie dabei oftmals bereits, lange bevor dies offiziell verkündet werden kann. Nicht umsonst heißt es im Englischen auch Public Relations – die gelebte Beziehungspflege ist hier bereits inbegriffen und verdeutlicht, dass bereits im Vorfeld Zeit und Energie investiert wer den sollte. Gerade, wenn Unternehmen in der breiten Öffentlichkeit (noch) unbekannt sind, muss viel Vorarbeit geleistet werden, damit eine Meldung überhaupt Gehör findet und sie auch für Menschen außer halb der Organisation als Ereignis mit Informationswert wahrgenommen wer den kann. Diese „PR-Durststrecken“ sollten Kommunikator*innen nicht ungenutzt verstreichen lassen, sondern sie strategisch sinnvoll nutzen – beispielsweise um Personen aus dem eigenen Haus als Fachexpert*innen in der Öffentlichkeit, als „Thought Leader“ aufzubauen. Die Mittel der Wahl sind hier etwa Gastbeiträge in relevanten (Fach-) Medien, Vorträge und/oder Panel-Slots auf wichtigen (Branchen-)Events und Posting über eigene Social-Me dia-Kanäle, wie zum Beispiel persönliche LinkedIn-Profile – gerne auch mit etwas provokanteren, aber fachlich handfesten Thesen. anderen Journalist*innen auch für Recherchezwecke genutzt wer den. Bei Social-Media-Profilen sollte bedacht werden , dass sie hier keine platten und glattgeschliffenen Marketing-Messages oder oberflächige „Ich war auch hier“-Posts platzieren. Stattdessen sollten man stets die Perspektive potentieller Leser*innen im Kopf haben, die sich einen Aha-Effekt, einen Mehrwert wünschen. Was können diese nach dem Lesen solcher Beiträge wissen, was ihnen vorher entweder nicht so bekannt war, ihnen vielleicht Altbekanntes im neuen Licht erscheinen lässt oder ihnen eine positive Reaktion entlockt? Auch wenn dies nicht für jeden einzelnen Post oder Kommentar gelingt, sollte es dennoch der Anspruch sein. Fachmedien sind für Gastbeiträge zumeist besonders geeignet, da sie zum einen offener für unbekanntere Stimmen sind, hier auch ins Detail gegangen werden kann – und sie zum anderen gleich zeitig wiederum die fachlich passende Zielgruppe haben sowie von Es ist essentiell, dass Kommunikator*innen feine Sensoren haben, um zum einen den öffentlichen Diskurs wahrzunehmen und zum anderen Chancen für die Positionierung des eigenen Unternehmens zu identifizieren – und gleichzeitig auch erkennen, welche Geschichten eventuell für die Öffentlichkeit interessant sein könnten. Je nach Unternehmensgröße variiert hier auch der Ansatz: Große Unternehmen können es sich leisten, reaktiver zu kommunizieren, während kleine Unternehmen sehr viel proaktiver konkret auf Pressevertreter*innen zugehen müssen, um in den relevanten Medien überhaupt stattzufinden. Gerade zu Beginn sind Event-Pitches und Gastbeitragsangebote deshalb oftmals mit viel Klinken putzen verbunden, allerdings ist dies Arbeit, die sich langfristig auszahlt. Denn zum einen positioniert man da durch geschickt eigene Expert*innen im öffentlichen Diskurs, auf die sie bei größeren Meldungen mit Nachrichtenwert zurückgreifen können. Und wir erinnern uns an das 101 des Storytellings, dass die besten Geschichten diejenigen sind, die sich über Menschen erzählen las sen. Zum anderen kreieren sie hierdurch zum Teil auch einen medialen Fußabdruck und eigene Meldungen – etwa durch Auftritte bei Events. Dies verleiht den betreffenden Personen und dadurch auch ihrer Organisation bei späteren journalistischen Recherchen Glaubwürdigkeit.
Kommunikationsverantwortliche als Devil’s Advocate
Geht es in die konkrete Planung des Produkt-Launches, sollten die Kommunikationsverantwortlichen direkt mit am Entscheidungstisch sitzen. Sie können wertvollen Input dazu liefern, ob und wie in der Öffentlichkeit/der Zielgruppe Interesse für das Produkt geweckt werden kann, welche externen Ereignisse es zu beachten gilt (z.B. in laufende Gesetzesentwürfe, öffentliche Trends, aktuelle Studien und/oder journalistische Diskussionen etc.), wie das Produkt in dieser Gemengelage kommunikativ platziert werden kann und wie die Unternehmensziele auch und gerade durch gelungene Kommunikation erreicht werden können. Kommunikationsverantwortliche in ihrer Mittlerposition zwischen internen Stakeholdern und kritischen externen Multiplikator*innen haben dabei die Rolle des Devil’s Advocate und sollten unter Umständen auch bestehende Planungen zum Beispiel zu Zeitplänen verändern – und die unbequemen Fr gen stellen, die ansonsten nicht an den Tisch gebracht werden. Die wichtigste von allen: „Warum sollte sich die Welt da draußen überhaupt dafür interessieren?“ Parallel zu diesen Entscheidungsprozessen zu Grundbotschaften und Zeitplänen steht die Recherchearbeit zur Medienliste: Welche Journalist*innen schreiben zu den relevanten Themen, sind gegebenenfalls neu, haben sich auf welchem Medium wie zu einem verwandten Thema geäußert? Bestand zu diesen Personen bislang noch kein persönlicher Kontakt, kann es lohnenswert sein, zum Bei spiel bereits im Vorfeld auf Social-Media mit ihnen zu interagieren. Auch wenn es verlockend ist, eine gut gefüllte Medienliste zu haben, ist es immer noch zielführender das Prinzip „Klasse statt Masse“ anzuwenden. Unter Umständen kann es so auch lohnender sein, sich den einen richtigen Medienkontakt im passenden Medium herauszupicken und ihm eine Exklusivmeldung anzubieten, anstatt mit dem Gießkannenprinzip 200 Kontakte anzuschreiben.
Zum einen erhöht Exklusivität die Wahrscheinlichkeit, dass ein Journalist eine Meldung aufgreift. Zum anderen kann der eine, im richtigen Medium platzierte Artikel im Markt die größten Wellen schlagen.
Steht all dies, können in der konkreten Vorbereitungsphase die relevanten PR-Materialien wie Pressemitteilung, Factsheet, Lebens lauf, Bilder etc. zusammengestellt werden – am besten stets mit der Journalistenperspektive im Blick. Wie kann man das Produkt in bestehende Trends einbetten? Gibt es gegebenenfalls interessante Studien, Zahlen, Daten, Fakten, die herangezogen werden können? Warum sollte dies überhaupt jemanden interessieren? Was ist das eigentlich Neue daran? Und wie kann die Masse an Informationen kurz und knackig zusammengefasst werden? Dabei sollten die Kommunikationsverantwortlichen stets ihre eigenen kritischsten Leser*innen sein. Da draußen wimmelt es von Unternehmen (und insbesondere Start-ups), die alle „innovativ“ sind und mit „Boldness“ den Markt „disrupten“ wollen. Das haben Journalist*innen halt leider schon gefühlt 500-mal gehört – in den letzten 24 Stunden. Auf die Welt der Konzerne übertragen, bedeutet dies, dass Kommunikationsverantwortliche sich vor leerer Phrasendrescherei hüten sollten. Dies ist natürlich eine eigene Herausforderung für sich, insbesondere, wenn weitere Akteure mitreden wollen oder es gegebenenfalls feste Richtlinien gibt. Kommunikation ist aber immer auch ein Spiel mit Unbekannten. Denn selbst mit der besten Vorbereitung kann es aber immer noch eine überraschende Wende geben – sei es, dass ein Marktteilnehmer ein vergleichbares Produkt früher herausbringt, es politisch neue Entwicklungen gibt (ein Umstand, an den wir uns alle in diesen unruhigen Zeiten mehr und mehr gewöhnen müssen), sei es, dass die eigene Entwicklung nicht nach Plan läuft oder der Medien kontakt andere Geschichten priorisieren will. Deshalb erhalten sich die besten Kommunikator*innen ein großes Maß an Flexibilität und Stressresilienz – es kann immer etwas schiefgehen, die entscheidende Frage ist, wie man darauf reagiert.
Glaubwürdigkeit als Dreh- und Angelpunkt
Zusammengefasst bedeutet dies: Das beste Produkt und die beste Technologie bringen nichts, wenn niemand davon erfährt. Gleich zeitig ist Glaubwürdigkeit die härteste und empfindlichste Währung für Unternehmen – getreu der Devise von Warren Buffet: „It takes 20 years to build a reputation and five minutes to ruin it.“ Gute Kommunikation unterscheidet sich deshalb auch von einem One-Hit Wonder durch einen langfristigen und strategischen Ansatz. Und bei alldem gibt es keine strategische Kommunikation, wenn nicht zuvor Kommunikation Teil der Strategie ist – und zwar der Business Strategie insgesamt.