Neustart im Maschinenraum ‒ Wie Technologie das Operating Model der Unternehmenskommunikation weiterentwickelt
- Michael Schlechtriem & Steffen Georgi, Deutsche Telekom
- 28. Apr.
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 7 Tagen
Von MICHAEL SCHLECHTRIEM und STEFFEN GEORGI
Michael Schlechtriem verantwortet als VP Communication Strategy & Development die Kommunikationsstrategie der Deutschen Telekom und treibt die Weiterentwicklung des Bereichs Corporate Communications voran. Seit 25 Jahren beschäftigt er sich mit Trends in Medien, Kommunikation und Technologie. 1999 startete er bei T-Online, wo er bis 2006 die Kommunikation leitete. Seit 15 Jahren ist er in strategischen Funktionen in der Kommunikation aktiv – mit Leidenschaft für digitalen Wandel und interdisziplinären Austausch.
Steffen Georgi verantwortet das Thema CommTech im Bereich Corporate Communications der Deutschen Telekom. In dieser Rolle bündelt er die Aktivitäten rund um Künstliche Intelligenz, die Einflüsse von Technologie auf die Kommunikation und die Ausrichtung der bereichsinternen Plattformstrategie, um den aktuellen technologischen und kommunikativen Veränderungen Rechnung zu tragen.

Der 30. November 2022 war für die Unternehmenskommunikation der Deutschen Telekom ein besonderer Tag. Nach monatelanger Arbeit und der Befragung vieler Expertinnen und Experten aus Unternehmen, Agenturen und Wissenschaft veröffentlichten wir die Zukunftsstudie „Next Communication“. Zeitgleich stellte OpenAI den Chatbot ChatGPT vor – ein Large Language Model, das nicht nur den Beginn eines globalen Hypes, sondern auch eine kontroverse Diskussion um KI markierte. Diese zeitliche Koinzidenz ist natürlich Zufall und steht in keinem Zusammenhang. Der Launch von ChatGPT bestätigte jedoch eines der wichtigsten Studien-Ergebnisse: die Relevanz von Technologie und Künstlicher Intelligenz (KI) für die Kommunikation.
Aus dieser Dynamik haben wir eine langfristig angelegte Weiterentwicklung des Bereiches Corporate Communications (COM) angestoßen. Der kontinuierliche Wandel wurde dabei zum Prinzip erklärt und ins Zentrum der neuen Kommunikationsstrategie gerückt. Ein notwendiger und herausfordernder Schritt, da wir mit unserer COM-Strategie einen 360°-Ansatz verfolgen: von den Themen über Ressourcen und Technologie bis hin zur Rolle sowie dem Mindset im Team. Der vielbeschworene, umfassende Einfluss von KI auf alle Lebensbereiche ist unumstritten relevant für alle Kommunikationsschaffenden. Metathemen wie gesellschaftliche Polarisierung, sinkendes Vertrauen in Institutionen aus Politik, Wirtschaft und Medien müssen auf inhaltlicher Ebene der Kommunikationsstrategie angesichts KI neu reflektiert werden. Denn wir brauchen eine Antwort auf die Frage, welche Rolle Kommunikation dabei spielt, die medialen und gesellschaftlichen Debatten wieder in einen konstruktiveren Modus zu führen und dem Vertrauensverlust in Zeiten von Fake News entgegenzuwirken. Gleichzeitig müssen für eine wirkungsvolle Ausrichtung der Kommunikation die technologischen Voraussetzungen geschaffen werden.
Maschinen? A New Stakeholder in Town!
Unsere Stakeholder-Landkarte hat einen prominenten Neuzugang: Maschinen. Verschiedenste Bots und Agents werden künftig automatisiert unsere gesamte Kommunikation durchsuchen, analysieren und priorisieren. Sie werden für Redaktionen recherchieren, für NGOs, Influencer, Wettbewerber und auch private Nutzer, die sich für die Telekom interessieren. Die Bots werden format- und kanalübergreifend arbeiten und dabei alle verfügbaren Quellen berücksichtigen – von der Unternehmens-Website über Social Media bis hin zu Berichten Dritter in den Onlinemedien. Und die KI wird nicht nur Inhalte erfassen, sondern interpretieren.
Die Betrachtung von Maschinen als Stakeholder ist ein strategischer Paradigmenwechsel. Wer die Menschen künftig erreichen will, muss lernen, die Maschinen beziehungsweise die dahinter liegenden Funktions-weisen zu verstehen.
Nur so können Inhalte künftig gezielt ausgerichtet und optimiert werden. Das erfordert nicht nur Investitionen in Technologie, Analytik und Training eigener Modelle sowie des Teams. Es braucht auch ein Umdenken und eine neue Qualität des persönlichen Engagements, das über bloßes Experimentieren mit verschiedenen KI-Tools hinausgeht. Nicht grundlos wurden Daten- und KI-Anwendungskompetenz auf dem diesjährigen World Economic Forum (WEF) für 2030 als Schlüsselfähigkeit zahlreicher Jobprofile bewertet. Das gilt auch und gerade für Kommunikationsberufe.
Für uns war klar: Eine gemeinsame digitale Produktionsumgebung, die es ermöglicht, schnell und transparent zu arbeiten – auch gemeinsam mit anderen Bereichen und externen Partnern –, soll der neue Standard werden. Eine große Aufgabe angesichts der fragmentierten Tool-Landschaft, die über viele Jahre gewachsen ist.
Tech für COM oder COM für Tech? Auf die Kernaufgaben der Kommunikation kommt es an.
Natürlich ist es beeindruckend, wie rasant und mit zunehmender Qualität durch KI Content jeglicher Art produziert werden kann. Aber das ist nicht das Ende der Reise, sondern erst der Beginn. KI ist kein passives Werkzeug, keine Suchmaschine 2.0, sondern ein in Echtzeit lernender und sich selbst optimierender Mitspieler. Auf allen Spielfeldern der Kommunikation. In unserer Mannschaft – aber auch den gegnerischen. Wie also können wir die Kommunikation technologisch so ausrichten, dass wir immer in der Lage sind, kurzfristige Entwicklungen schnell zu adaptieren? Und langfristig ein leistungs- und vor allem zukunftsfähiges Fundament haben? Voraussetzung dafür ist nicht nur moderne Technologie, sondern ebenso eine gelebte Kultur der Offenheit für die Anwendung.
Es braucht die Bereitschaft des Teams, sich immer wieder auf Neues einzulassen und mitzugestalten.
Um dies zu unterstützen, haben wir das Ziel formuliert, dass sich das Team so weit wie möglich auf die Kernaufgaben der Kommunikation konzentrieren können soll, während automatisierte Datenverarbeitungsprozesse weitgehend im Hintergrund laufen.
Die Quest: Eine klare und einfache IT-Infrastruktur.
Die Bedingung für eine größtenteils automatisierte Arbeitsumgebung ist ein hoher Digitalisierungsgrad. Jedoch kam bei uns eine Vielzahl an Tools und Plattformen zum Einsatz. Die zentrale Anforderung besteht darin, die fragmentierten Prozesse zwischen Ideenentwicklung, Planung, Produktion und Ausspielung von Content zu harmonisieren. Startpunkt für die Modernisierung des digitalen Ökosystems der Unternehmenskommunikation war eine tiefgehende Analyse der bestehenden Toollandschaft. Dafür wurden auch alle bestehenden externen Partnerschaften kritisch überprüft: Sind die Produkte und Services noch zeitgemäß? Wem trauen wir zu, mit den vor allem durch Künstliche Intelligenz getriebenen, schnellen Entwicklungssprüngen mitzuhalten?
Es stellte sich heraus, dass die Vielzahl spezialisierter Tools, mit denen das Team in den vergangenen Jahren arbeitete, und vor allem deren fehlende Vernetzung auf Kosten von Geschwindigkeit und Qualität ging. Dies wiederum führte zu Ineffizienzen und Unzufriedenheit im Arbeitsalltag. Bei der Themenentwicklung und Redaktion verursachte die Nutzung unterschiedlicher Plattformen Medienbrüche und sich sinnlos wiederholende Arbeitsschritte. Zudem erschwerten fehlende Schnittstellen zwischen den Plattformen die Automatisierung und die übergreifende Analyse der Kommunikationsmaßnahmen.
Hinzu kam, dass für die zahlreichen Plattformen in einer komplexen Tool-Landschaft viel Aufwand in Betrieb und Wartung der IT-Infrastruktur investiert werden musste. Der Fokus lag zu stark auf der Bestandserhaltung. Das lässt kaum Raum für Weiterentwicklung und verhindert die zügige Integration neuer Technologien.
Vor diesem Hintergrund haben wir einen Entschluss für unsere Strategie gefasst: die Eingliederung verschiedener Tools und deren Steuerung über möglichst wenige, zentrale und standardisierte Plattformen. Das vereinfacht den Arbeitsalltag und sorgt außerdem für eine höhere Geschwindigkeit. Der Schlüssel dafür liegt in einer nahtlosen Systemintegration, die am Ende Effizienzen hebt und zusätzliches Potenzial für Innovationen schafft.
CommTech à la carte – customizable Lösungen statt Eigenapplikationen.
Mit dem Anspruch, Veränderungen strategisch und ganzheitlich zu betrachten, wuchs der Umfang der Transformation. Denn in komplexen Systemen ist es nicht möglich, einzelne Elemente losgelöst voneinander zu verändern. Die Weiterentwicklung der IT-Infrastruktur wurde in eine umfassende Entwicklungsinitiative des Operating Models der Unternehmenskommunikation insgesamt eingebettet. Im Operating Model werden die strukturellen Elemente der Abteilung, die Prozesse für deren Zusammenspiel und Entscheidungsinstanzen definiert. Treiber waren hier vor allem die zunehmende Verbreitung von KI, die sich weiter fragmentierende Medienlandschaft und das veränderte Mediennutzungs- und Informationsverhalten der Konsumenten. Die Überarbeitung des COM Operating Models war damit der konzeptionelle Rahmen und zugleich eine große Chance für die technologische Kernsanierung des Bereiches.
Die Art und Weise, wie Menschen kommunizieren, wird zunehmend durch digitalisierte und automatisierte Prozesse bestimmt. Damit war klar, dass wir unser gesamtes Betriebsmodell für Kommunikation radikal neu denken müssen. Die dafür notwendigen hoch automatisierten Datenverarbeitungsprozesse machten zudem ein komplett neues Partner-Set-up erforderlich.
Unser Ziel ist eine gesamtheitliche Veränderung der Unternehmenskommunikation auf dem Fundament einer klaren IT-Architektur und neuesten technologischen Standards. Dazu haben wir konkrete Use-Cases definiert und den Markt für mögliche Technologie-, Analyse- und Monitoringpartner analysiert. Statt wie bislang aufwendig Eigenapplikationen zu entwickeln, setzen wir künftig auf ein Baukastenprinzip aus Standardlösungen, die wir individuell auf unsere Bedürfnisse anpassen. Entscheidend bei der Partnerwahl ist neben der technologischen Power und Zukunftsfähigkeit daher ebenso die Schnittstellenfähigkeit der Systeme.
Unser Erfolg wird maßgeblich davon abhängen, wie effektiv es uns gelingt, die Mechanismen des Online-marketings zu nutzen. Das erfordert, dass wir uns nicht nur auf die Erstellung von guten Inhalten konzentrieren, sondern noch viel stärker auf deren gezielte Distribution über alle digitalen und Live-Kanäle.
Eine weitere, bedeutende Etappe ist die Implementierung einer Plattform, um die gesamte Prozesskette der Unternehmenskommunikation ohne Unterbrechung abzubilden. Sie soll uns dabei helfen, Content-Distribution und Analytics auch auf den traditionellen Kanälen zu erneuern und ein vollständiges Bild zu erhalten. Das Ziel für die technologische Erneuerung unserer Abteilung lautet, nicht nur mit dem Wandel Schritt zu halten, sondern eine Vorreiterrolle in der modernen Unternehmenskommunikation einzunehmen. Da ist bestimmt noch ein Weg zu gehen, aber die engere Vernetzung strategischer, redaktioneller und technischer Kompetenzen im Team wird uns dabei helfen, in der digitalen KI-Ära nachhaltigere Beziehungen mit unseren Stakeholdern und damit auch noch mehr Vertrauen in Unternehmen und Marke aufzubauen.
