Willkommen in Swiftkirchen ‒ Wie Taylor Swift Gelsenkirchen international bekannt gemacht hat und das Marketing dahinter
- Markus Schwardtmann, Gesellschaft Gelsenkirchen mbH
- 29. Apr.
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 2 Tagen
Markus Schwardtmann ist Leiter des Referates Öffentlichkeitsarbeit der Stadt Gelsenkirchen und Geschäftsführer der Stadtmarketing Gesellschaft Gelsenkirchen mbH. Nach seinem Studium der Journalistik und Politikwissenschaft an der Universität Dortmund hat er als Lokaljournalist in Gelsenkirchen gearbeitet und anschließend als Geschäftsführer einer Medienagentur. Der gebürtige Gelsenkirchener ist seit 2010 in verantwortlicher Position für die Öffentlichkeitsarbeit und das Marketing seiner Heimatstadt tätig. Schwardtmann freut sich schon auf den nächsten Konzertsommer in Gelsenkirchen – unter anderem mit den internationalen Topstars Bruce Springsteen, Robbie Williams und Iron Maiden.
Die Straßenverkehrsordnung klassifiziert es ganz profan: „Zeichen 310 – Ortstafel“. In Gelsenkirchen wurde daraus in diesem Sommer die „Mona Lisa der Straßenschilder“, so ein begeisterter Gelsenkirchener Bürger. Wie kommt ein gewöhnliches gelb-schwarzes, hunderttausendfach aufgestelltes Straßenschild zu einer derartigen Ehrenbezeugung? Warum berichten über Deutschlands sechsundzwanziggrößte Stadt alle analogen und digitalen Medien von Argentinien bis Vietnam, schalten ARD und ZDF und die großen Privatsender drei Tage lang am Morgen, Mittag und Abend live in die Ruhrgebietsstadt, und warum bedanken sich Hunderte vor allem junge Frauen für die schönsten Tage in ihrem Leben, die sie in Gelsenkirchen verbracht haben? Die Antwort auf alle Fragen lautet: Taylor Swift! Vom 17. bis 19. Juli war der US-Megastar in der Stadt, und die stand Kopf.
Medienreichweite beginnend in Amerika
Dass da was ganz Großes auf Gelsenkirchen zurollt, war schon früh klar. Knapp ein halbes Jahr vor den drei Konzerten fragt US-Nighttalker Jimmy Kimmel in seiner Show, ob Gelsenkirchen denn überhaupt existiere? Taylor Swifts zweijährige „Eras-Tour“ rund um den Globus mache schließlich nur in Weltstädten Station – und dann noch in Gelsenkirchen gleich drei Mal? „Klar gibt es Gelsenkirchen, Jimmy Kimmel. Komm‘ doch im Sommer vorbei und besuche uns“, schreibt ihm die Stadtmarketing Gesellschaft, schließlich ist die Stadt nicht jeden Tag Gegenstand der Berichterstattung auf NBC. Kimmel kommt nicht, dafür melden sich die ersten Journalisten. Eine der ersten großen Zeitungen ist die F.A.Z. Da erscheint schon im Februar ein Interview mit Oberbürgermeisterin Karin Welge. Die Washington Post, der Deutschlandfunk, der WDR und viele andere ziehen in den kommenden Wochen nach. Am Ende wird die Oberbürgermeisterin Dutzende TV- und Hörfunkinterviews gegeben haben, sind Artikel über die Stadt in Zeitungen im Oman, Pakistan oder Vietnam, in den USA und UK, in allen EU-Ländern und ganz Südamerika erschienen und ziemlich sicher Posts in den sozialen Medien mit einer alles in allem milliardenhohen Reichweite.
Die ersten Anfragen und Berichte im Februar 2024 sind ein erster Vorgeschmack auf das, was noch kommt. Parallel zur Fußball-Europameisterschaft plant die Stadt Gelsenkirchen also die Kampagne für die drei Taylor-Swift-Konzerte. Während am 14. Juli die EURO mit einem großen Public Viewing in Gelsenkirchen – einem der zehn Spielorte des Turniers – endet, kommen bereits die ersten „Swifties“ in die Stadt. Die Ziele für die Öffentlichkeitsarbeit waren zuvor klar definiert worden:
Die rund 200.000 Besucherinnen und Besucher sollen in der Stadt unvergessliche Erlebnisse haben und eine möglichst lange Aufenthaltsdauer.
Die weltweite Aufmerksamkeit soll dazu genutzt werden, um den Bekanntheitsgrad Gelsenkirchens zu steigern und
das Profil Gelsenkirchens als Veranstaltungsort für internationale Konzerte weiter zu schärfen.
In den vergangenen Jahren waren zwar viele Weltstars in Gelsenkirchen, doch eine direkte Ansprache der Fans erfolgte nicht. Bei Swift war dies anders: Schon Monate vor den Konzerten nahm das Referat Öffentlichkeitsarbeit Kontakt zu Schalke 04 – der Verein ist Eigentümer des Stadions – und der Veranstaltungsagentur auf. Wir wollten erfahren, von wo überall die Fans anreisen werden und wie hoch die Anzahl der „Swifties“ ohne Tickets sein würde. Als wertvoll erwies sich zudem der Kontakt zur deutschen Niederlassung der Plattenfirma. Hier gab es naturgemäß nicht nur Merchandisingmaterial in rauen Mengen, sondern auch zahlreiche Kontakte in das weitverzweigte „Unternehmen Taylor Swift“. Im Ergebnis konnte mit „Taylor Town“ ein attraktiver und zentraler Treffpunkt in der Innenstadt eingerichtet werden. Hauptattraktion war der offizielle Truck mit Merchandising von Swift. Wartezeit in den Stoßzeiten: zwei Stunden – mindestens. Der Ansatz der aktiven Ansprache von Plattenfirmen, Ticketing- und Konzertagenturen soll auch bei großen Konzerten in den kommenden Jahren verfolgt werden. Neben dem Mehrgewinn für die Fans demonstriert die Stadt Gelsenkirchen damit die Wertschätzung gegenüber den Künstlern und Veranstaltern. Wir freuen uns, dass sie zu uns kommen, und wir legen uns für sie ins Zeug, wie man im Ruhrgebiet sagt. Ein wichtiges Stück Wirtschaftsförderung durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit.

Gelsenkirchen hat eine jahrzehntelange Stadionkonzert-Tradition: Rolling Stones, Coldplay, PINK, Michael Jackson, Robbie Williams, Ed Sheeran, Bruce Springsteen, Pink Floyd – selbst der Papst (Johannes Paul II.) war schon im Parkstadion. Taylor Swift aber übertrifft alles. Augenzwinkernd benennen wir Gelsenkirchen am 2. Juli gut zwei Wochen vor dem ersten Konzert in „Swiftkirchen“ um. 20 der so schnell so berühmt werdenden Schilder werden an hoch frequentierten Standorten angebracht, und die Stadtmarketing Gesellschaft dreht mit zwei echten „Swifties“ drei Filme, die auf Instagram durch die Decke gehen mit nie zuvor erreichten Reichweiten und unzähligen begeisterten Kommentaren. Auf dem „Gelsenkirchen Walk of Fame“ wird für Taylor Swift temporär ein Ehrenstein verlegt, und gebrandete Straßenbahnen fahren durch die Stadt. Ganz Gelsenkirchen hat sich als Gastgeberin richtig schön herausgeputzt. Den Besucherinnen und Besuchern zeigen wir, dass sie alle wirklich herzlich willkommen sind. In der Innenstadt können sie in „Taylor Town“ Karaoke singen, Armbänder basteln und Merchandising-Artikel ihres Idols kaufen. Gelsenkirchen hat sich schnell „umgezogen“. Wo gestern noch das Branding zur Europameisterschaft hing, grüßen jetzt die Plattencover von Taylor Swift an elf Selfie-Rahmen, zentralen Gebäuden oder als 3-D-Bild auf dem Platz hinter dem Rathaus. In den Geschäften und Kneipen stehen lebensgroße Pappaufsteller in den Schaufenstern, und auf dem Weg in die Arena unterhalten mobile DJs und Cheerleader-Truppen die „Swifties“.
Diese ersten Aktionen erregen weltweit Aufmerksamkeit. Das Medienmonitoring kommt schon nach kurzer Zeit an seine Grenzen. „Swiftkirchen“ ist nun weltweit Thema. Alle Leitmedien sind dabei – Washington Post, The Rolling Stone, People Magazine, ABC, The Times, Der Spiegel, die Tagesthemen, das heute-journal, AP, dpa und so weiter. Ausführliche Porträts beschreiben die Stadt, der Name wird weltweit bekannt (schöne Grüße an Jimmy Kimmel!) – Gelsenkirchen wird zum „Place to be“ im Sommer 2024. Unbezahlbare Reichweiten und positive Berichte mit vielen begeisterten Stimmen. Selbst eine Millionenstadt wie Köln mit dem wahrscheinlich bekanntesten deutschen Wahrzeichen postet auf Instagram „Heute wären wir gern Gelsenkirchen…“.
Eine Erkenntnis: Ja, Social Media läuft blitzschnell um den Globus und erzielt unglaubliche Reichweiten. Es sind die Kanäle der Wahl. Das ist aber nichts Neues. Viel interessanter für uns: Die guten alten Nachrichtenagenturen sind weiterhin unglaubliche Multiplikatoren. Die dpa war ganz früh dabei und hatte eine „Sonderkorrespondentin“ für beinahe eine Woche nach Gelsenkirchen entsandt. Damit war „Swiftkirchen“ so gut wie in allen deutschsprachigen Redaktionen präsent. Das Phänomen setzte sich dann international fort. Die US-amerikanische Nachrichtenagentur AP übernahm die Berichterstattung der dpa und verbreitete „Swiftkirchen“ in aller Welt. Im digitalen Zeitalter, in dem Unternehmen, Kommunen, Institutionen alle ihre eigenen Kanäle bespielen, um über Content und Botschaft die (eingebildete) Kontrolle zu haben, gehören dpa & Co. weiterhin in den Instrumentenkasten der Kommunikationsverantwortlichen.
Grandioser Return on Investment und Geld für einen guten Zweck
Rund 100.000 Euro haben die Stadt und die Stadtmarketing Gesellschaft in die Aktionen investiert – die Rendite ist nicht messbar. Die drei im Vorfeld definierten Ziele wurden allesamt erreicht. Auch 2025 kommen wieder Weltstars nach Gelsenkirchen, die Stadt ist nun rund um den Globus bekannt, und alle Beteiligten von Gastronomie über Hotels bis zum Einzelhandel planen weitere Angebote, um sich den Fans von Bruce Springsteen, Robbie Williams & Co. im kommenden Jahr wieder als herzliche Gastgeber zu präsentieren.
Dabei muss in Gelsenkirchen fürs kommende Jahr sicherlich Erwartungsmanagement bei allen Beteiligten betrieben werden. Taylor Swift als Pop-Phänomen ist derzeit absolut einzigartig, die weltweite Aufmerksamkeit unvergleichbar, ihre Fanbase unerreicht.
Hätte sich Gelsenkirchen in „Springkirchen“ oder „Gelsenstein“ (Rammstein hat im Sommer gleich fünf Konzerte in der Stadt gespielt) umbenannt, wäre diese außergewöhnliche Resonanz von Argentinien bis Zypern bei Weitem nicht erreicht worden. Das „Zeichen 310“ ist übrigens noch zu ganz besonderen Ehren gekommen. Es hängt bereits im „Haus der Geschichte“ in Bonn sowie im Rock&Pop-Museum in Gronau. Und noch viel wichtiger: Die 20 Schilder, die an den Hotspots in der Stadt hingen, wurden im Herbst versteigert. Knapp 30.000 Euro kamen für verschiedene Einrichtungen der Frauen- und Mädchenarbeit zusammen. Das Höchstgebot für ein Schild lag bei 3000 Euro – einzigartig halt. Zugegeben: Die echte Mona Lisa ist noch ein wenig wertvoller!