„Wir bündeln unsere Kommunikation um bestimmte Leuchtturmprojekte“
- Verena Köttker, KfW
- 8. Apr.
- 8 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 15. Okt.
Verena Köttker ist seit November 2022 Leiterin der Konzernkommunikation der KfW Bankengruppe und berichtet direkt an den Vorstandsvorsitzenden. Zuvor gründete sie die Agentur Köttker Kommunikation & Consulting, spezialisiert auf Krisen- und Nachhaltigkeitskommunikation. Ihre Karriere begann sie als Journalistin, unter anderem als politische Korrespondentin für „Focus“ und „Bild“. Von 2008 bis 2015 war Köttker als Leiterin Konzernkommunikation und Politik der Alba Group tätig. Die Kommunikationsexpertin studierte Geschichte, Politik und Wirtschaft an der Ruhr-Universität Bochum und absolvierte die Axel Springer Journalistenschule.
Frau Köttker, Sie haben im November 2022 die Leitung der Konzernkommunikation bei der KfW übernommen. Welche strategische Rolle spielt die Konzernkommunikation heute in der Strategie der KfW?
Verena Köttker: Die Konzernkommunikation hat über die Steuerung des Markenauftrittes und der Reputation einen festen Platz im Strategiehaus der KfW. Ich habe glücklicherweise einen CEO, der davon überzeugt ist, dass eine zielgruppengerechte, gewinnende Kommunikation ein entscheidender Erfolgsfaktor in strategischen Veränderungsprozessen ist.
Wie haben Sie die Abteilung seit Ihrem Eintritt weiterentwickelt?
Verena Köttker: Relevanz, Prägnanz, Wirkung – das war mein Leitsatz für den Be reich, als ich gestartet bin. Das klingt vielleicht banal, war aber verbunden mit einem großen strukturellen und kulturellen Veränderungsprozess, den das Team der Konzernkommunikation in nur eineinhalb Jahren mit unglaublichem Einsatz – persönlich und zeitlich – gestemmt hat. Bis 2022 war die Kommunikation noch eine Unterabteilung des Generalsekretariats und in Silos organisiert.
Und heute?
Verena Köttker: Heute arbeiten wir in einer Matrixstruktur, in der wir zwischen disziplinarischer und fachlicher Führung unterscheiden. Letztere kann durch jeden Mitarbeitenden ausgeübt werden, der das möchte und es sich auch zutraut. Grundlage ist ein strategisches, vom Führungsteam freigegebenes Konzept für das jeweilige Kommunikationsprojekt. Zudem gibt es praktisch kein Kommunikationsprojekt mehr, bei dem wir nicht vernetzt arbeiten und uns fragen: Zahlt es auf die Strategie der Bank ein, wen wollen wir damit erreichen und – vor allem – was soll hinten rauskommen? Ich habe ein tolles Führungsteam und gemeinsam haben wir ein Wirkungsmanagement eingeführt, ein Strategieboard gegründet, einen bankweiten Kommunikationsplanungsprozess implementiert. Eine Führungsebene in der Konzernkommunikation ist entfallen, dafür gibt es einen fachlichen Koordinator für unser Tagesgeschäft. Und wir treffen (fast) alle inhaltlichen Entscheidungen in unserer wöchentlichen Führungsrunde gemeinsam.
Was bedeutet das für Ihre Mitarbeitenden?
Verena Köttker: Die Mitarbeitenden haben als Projektverantwortliche, die fachlich ein Thema führen, viel mehr Verantwortung, aber auch Gestaltungsmöglichkeiten, sie steuern ihr Thema im 360-Grad-Ansatz durch alle Kanäle und können sich dafür ihr „Themen-Team“ zusammenstellen. Um sich in dieser Form der lateralen Führung sicherer zu fühlen, haben wir Fortbildungsangebote dazu gemacht.
In kurzer Zeit haben Sie tiefgreifende Veränderungen umgesetzt. Was würden Sie als den entscheidenden Erfolgsfaktor da für bezeichnen?
Verena Köttker: Das Wichtigste ist ein Team von Menschen, das Veränderung als etwas Positives sieht. Es gibt ein schönes Sprichwort: „Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen.“ Ich hatte glücklicherweise viele Windmühlen-Fans in der Mannschaft, die Lust und Interesse daran hatten, die Zukunft der KfW-Konzernkommunikation aktiv und gemeinsam mit mir zu gestalten. Daneben braucht es Durchhaltevermögen im Umgang mit den Mauer-Bauern. Und natürlich geht es nicht ohne den Rückhalt des Vorstandes. Für beides – die Kolleginnen und Kollegen und das Backing von oben – bin ich sehr dankbar.
Das Wichtigste ist ein Team von Menschen, das Veränderung als etwas Positives sieht.
Welche strategischen Maßnahmen haben Sie ergriff en, um die externe Positionierung der KfW zu schärfen, und welche Wirkung konnten Sie damit bereits erzielen?
Verena Köttker: Zunächst haben wir uns in einem Strategieprozess gefragt, was die KfW von allen anderen Banken unterscheidet und wie wir das durch unsere Kommunikationsaktivitäten stärker sichtbar machen können. Das war bei der KfW gar nicht so schwer, aber es hatte lange niemand mehr diese Frage gestellt. Die KfW wurde gegründet, um Wirtschaft und Gesellschaft zum Positiven zu verändern – für uns alle, unsere Umwelt, unsere Sicherheit, die Zukunft der nächsten Generationen. Wir sind die Bank aus Verantwortung. Das haben wir dann auf fast alle Kommunikationsprojekte übertragen – die Positionierung unseres Vorstandes, unsere Social Media-Kommunikation, unsere Inhalte und unseren Auftritt bei Events, unsere Kampagnenmotive für die Förderprodukte … Mit Erfolg – in unserer jährlichen Zielgruppenbefragung (KfW Markenstudie) stieg die wahrgenommene Profilierung der KfW – über alle Zielgruppen hinweg – gegenüber dem letzten Jahr um sieben Prozentpunkte. Die Profilierung in der Fokusgruppe Mittel stand verbesserte sich sogar um 21 Prozent punkte.
In Medienberichten liest man häufig den ausgeschriebenen Namen „Kreditanstalt für Wiederaufbau“ hinter der Abkürzung KfW. Sie nutzen in der Kommunikation die Abkürzung. Welche strategischen Überlegungen stehen hinter dieser Entscheidung?
Verena Köttker: Wir sind die Bank, die den Wandel in Deutschland täglich begleitet. „Anstalt“ war gestern. Die KfW ist eine sehr leistungsfähige Organisation mit einem sehr großen Spektrum – das reicht von der Finanzierung riesiger Windparks oder Start-ups über die Unterstützung deutscher Mittelständler im Ausland bis zur Förderung von privaten Bauvor haben. Das Fördervolumen im Jahr 2024 lag insgesamt bei über 113 Milliarden Euro. Daher haben wir auch das Corporate Design einem Refresh unterzogen, um optisch zu unterstreichen: Wir sind eine moderne, sehr effiziente und international aufgestellte Bank. Das soll man auch sehen.
Die KfW hat zahlreiche Stakeholder – von Politik und Wirtschaft bis hin zur Zivilgesellschaft. Wie gelingt es Ihnen, die Interessen dieser unterschiedlichen Gruppen kommunikativ in Einklang zu bringen?
Verena Köttker: Ich gebe Ihnen ein Beispiel aus dem Marketing: Für unsere Kampagne haben wir nach einem Narrativ gesucht, das als Klammer für alle Zielgruppen funktioniert. Auf der Ebene darunter haben wir Motive und Begleittext so angepasst, dass sie zur jeweiligen Zielgruppe passen. Ein Handwerker wurde also anders angesprochen als eine junge Familie oder ein potentieller Bewerber. Die Kernbotschaft war aber identisch. Das hat sehr gut funktioniert. 25 Prozent der Mittelständler, die unsere Kampagne gesehen haben, hatten an schließend ein positiveres Bild von der KfW, für 74 Prozent war danach klarer, was die KfW tatsächlich macht.
Als Anstalt des öffentlichen Rechts hat die KfW gesetzlich festgelegte Aufgaben. Welche speziellen Anforderungen ergeben sich daraus für Ihre Kommunikationsstrategie?
Verena Köttker: Wir drängen uns nicht in die erste Reihe. Dafür wurden wir von einem Journalisten schon einmal als „stiller Riese“ bezeichnet. Wenn wir Fördermittel im Auftrag der Bundesregierung vergeben, liegt die Erstkommunikation bei den Ministerien. Danach erklären wir, was es braucht, um die Förderung zu bekommen etc. Wir legen also den Schwerpunkt auf gute Servicekommunikation. Überhaupt ist mir sehr wichtig, dass unsere Kommunikation einen Mehrwert hat. Wir sind in Social Media nicht mit starken Sprüchen unterwegs und verhalten uns politisch neutral. Trotzdem zeigen wir in der Kommunikation, dass uns Werte wie Gleichberechtigung, Inklusion, Diversität, Meinungsvielfalt und europäische Integration sehr wichtig sind.
In der öffentlichen Wahrnehmung wird die KfW häufig mit politischen Entscheidungen zu Fördermaßnahmen in Verbindung gebracht. Wie gehen Sie damit um, um die Reputation der Bank zu schützen?
Verena Köttker: Das ist eine gute Frage, auf die es keine kurze Antwort gibt. Vielleicht so viel: Wir erklären viel, was unsere Rolle ist, wo wir Impulse geben können und wo unser Gestaltungsspielraum endet. Und wir lassen – wenn es geht – unsere Kunden sprechen. Ich gebe Ihnen ein Bei spiel: Für den Anstieg der Zinsen beim Studienkredit konnte die KfW nichts. Gleichwohl war der Aufschrei groß, was ich nachvollziehen konnte. Es gab aber immer noch viele Studierende, die gesagt haben: Wir sind happy, dass es diesen Kredit gibt – wir würden sonst von niemandem einen Kredit bekommen. Einige davon haben wir in unsere Kommunikationsaktivitäten ein gebunden. Den Gesamttenor hat das aber nicht verändert. Manches muss man auch einfach aushalten.
Die KfW veröffentlicht eine beeindrucken de Anzahl an Pressemitteilungen – allein im Januar waren es 28 zu sehr unter schiedlichen Themen, von Förderprogrammen über den Nachfolge-Monitor bis hin zu internationalen Finanzierungskonsortien. Wie gelingt es Ihnen, die Vielzahl an Themen und Botschaften strategisch zu bündeln, sodass eine klare Positionierung der KfW erhalten bleibt?
Verena Köttker: Wir schrauben die Zahl der Pressemitteilungen sukzessive zurück und werden in den Texten auch kürzer und prägnanter. Wenn wir in unserem Monatsreport sehen, dass ein Thema von den Medien nicht aufgegriffen wurde, hilft uns das beim nächsten Mal in der Diskussion mit den Fachabteilungen. Das ist aber ein Prozess, der nicht auf Knopfdruck funktioniert. Im Übrigen hatten zum Beispiel unsere Pressemitteilungen zum Nachfolge-Monitor eine enorme Reichweite und wurden allein von über 250 Tageszeitungen und 115 Onlinemedien aufgegriffen. Die Pressemitteilung an sich ist also nicht tot.
In der Corona-Pandemie und bei der Auszahlung der Hilfen hat man gesehen, dass die KfW Krisenhelfer ist. Welche kommunikativen Herausforderungen folgen aus dieser Rolle und Wahrnehmung der KfW in einer Zeit wie aktuell, in der es an Krisen nicht mangelt?
Verena Köttker: Zunächst einmal sehe ich es positiv, dass die KfW immer gefragt ist, wenn es darum geht, Deutschland gut durch eine Krise zu steuern. Das ist ein großes Kompliment! Daneben muss es uns gelingen zu zeigen, dass wir mehr können und sind. Wir bündeln unsere Kommunikation daher um bestimmte Leuchtturmprojekte. Mit der Kommunikation um die erste Investorenkonferenz für die Energiewende, die die KfW in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bank ausgerichtet hat, haben wir zum Bei spiel rund zehn Millionen Menschen er reicht.
Wir erklären viel, was unsere Rolle ist, wo wir Impulse geben können und wo unser Gestaltungsspielraum endet.
Welche inhaltlichen Schwerpunkte wer den Sie in der Konzernkommunikation der KfW im Jahr 2025 setzen, und wie sind Sie bei der Erarbeitung der Themen vorgegangen?
Verena Köttker: Wir haben im vergangenen Jahr erstmals einen konzernweiten Planungsprozess eingeführt, bei dem unser neues Strategieteam mit allen Geschäftsbereichen in den Dialog über die wichtigsten, bereits absehbaren Kommunikationseckpfeiler im Jahr 2025 gegangen ist. Die Themen haben wir anschließend hinsichtlich ihres Kommunikationspotentials bewertet und dann im Sommer dem Vorstand vorgelegt. Damit konnten wir im Spätsommer bereits in die Ausplanung der wichtigsten strategischen Themen für dieses Jahr gehen. Insgesamt haben wir sieben Schwerpunktthemen in diesem Jahr. Ein Schwerpunkt ist die Unterstützung des deutschen Mittelstandes durch die KfW, ein anderer der Sinn und Nutzen von Entwicklungszusammenarbeit.
Wie gewichten Sie die strategischen Schwerpunkte in Ihrem Team im Verhältnis zum täglichen Geschäft?
Verena Köttker: Für aktuelle Themen lassen wir uns immer noch mindestens 20 Prozent Luft. Und natürlich können wir auch Schwerpunkte kippen, wenn sich die Welt um uns herum völlig anders entwickelt als von uns erwartet.
Welche Kommunikationskanäle und Formate möchten Sie in Zukunft verstärkt ein setzen, um die Außenwahrnehmung der KfW weiter zu schärfen?
Verena Köttker: Das große Ziel für dieses Jahr ist es, in unserer Kommunikation deutlich visueller zu werden. Aus der Hirnforschung wissen wir, dass Bilder 60.000-mal schneller wahrgenommen werden als Text.
Welche Rolle spielen dabei digitale Kanäle und KI-gestützte Technologien?
Verena Köttker: Unsere Kommunikation ist bereits heute zu mehr als 80 Prozent digital. Wir bekommen in Kürze eine eigene KI-Plattform, mit der wir KI einsetzen können, um bereits validierte Inhalte schneller weiterverarbeiten zu können. Gleichzeitig werden wir hoffentlich noch in diesem Jahr KI einsetzen, um visueller zu werden. Dabei achten wir besonders darauf, dass wir keine Urheberrechte verletzen.
Wie soll diese KI-Plattform zukünftig in der Konzernkommunikation angewendet wer den? Welche spezifischen Anforderungen soll diese KI erfüllen?
Verena Köttker: Die KI soll uns unterstützen, den einmal von den Kolleginnen und Kollegen erstellten und qualitätsgesicherten Content auf weitere Zielgruppen und Kanäle anzupassen und zum Beispiel aus vorhandenem Bildmaterial schnell kleine Videos zu erzeugen. Dabei achten wir dar auf, dass keine vertraulichen Daten aus der KfW abfließen und wir kein Material nutzen, bei dem wir nicht wissen, woher es kommt und wem die Rechte daran gehören. Wir sind eine regulierte Bank und legen daher viel Wert auf sichere Prozesse.
Wie bereitet sich die KfW kommunikativ darauf vor, dass bald der neu gewählte Bundestag zusammentritt? Gibt es spezielle Maßnahmen, um die Zusammenarbeit mit den neuen Abgeordneten und politischen Entscheidungsträgern zu gestalten?
Verena Köttker: Alle Mandatsträger sind in erster Linie dem Souverän, also dem Wähler verpflichtet. Auch wir als KfW sind Dienstleister für Unternehmen und Bürger. Es liegt also nahe, vor allem den neuen Ab geordneten unser Leistungsangebot vorzu stellen. Dieses Informationsangebot sehen wir als Basis für alle weitergehenden Ge spräche und Kooperationen.
Als Journalistin und politische Korrespondentin haben Sie einen besonderen Hintergrund. Inwiefern hat dieser Einfluss auf Ihre Kommunikationsstrategie und Ihre Entscheidungen bei der KfW?
Verena Köttker: Als Journalistin habe ich gelernt, dass Kommunikation nur wirkt, wenn sie für den Leser einen Mehrwert hat und verstanden wird. Außerdem spielt das richtige Timing eine Riesenrolle, wenn es darum geht, Reichweite zu bekommen. Die Außensicht geht aber in großen Organisationen leider manchmal verloren. Zudem hilft mir meine Kenntnis politischer Prozesse enorm.
Welche Kompetenzen sollten Kommunikationsmanager Ihrer Meinung nach entwickeln, um für die zukünftigen Herausforderungen in der strategischen Kommunikation gerüstet zu sein?
Verena Köttker: Kommunikatoren müssen heute zwingend Kompetenz in Strategie und Management mitbringen. Die KI kann weder antizipieren, noch implementieren, noch Konsens herstellen oder Entwicklungen richtig einordnen. Auch politisches Gespür kann man einer Software (bisher) noch nicht beibringen, sie kann auch keine Netzwerke schaffen. Die KI schreibt aber schneller Posts oder andere Texte, sucht die passenden Bilder raus, erstellt schneller Dossiers oder Filme. Kommunikationsstrategen sind daher gefragter denn je.

Die Fragen stellte Gregor Vischer.




